Die koronare Herzerkrankung (KHK), das Broken-Heart-Syndrom und die pulmonalarterielle Hypertonie treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern. Symptome, die auf diese Erkrankungen hinweisen, werden allerdings oft übersehen.
„Mit 35,7 Prozent aller Todesfälle von Frauen 2021 sind Erkrankungen des Herz-Kreislauf- Systems die häufigste Todesursache. Gründe sind hohe Stressbelastung und verspätete Diagnosestellung aufgrund anderer Symptome als bei Männern“, heißt es im Frauengesundheitsbericht von 2022. Das bestätigt OÄ Dr.in Regina Steringer-Mascherbauer, Interne II – Kardiologie, Angiologie & Interne Intensivmedizin am Ordensklinikum Linz Elisabethinen. „Bei manifester KHK weisen Frauen, neben Drücken auf der Brust und im Rücken mit Ausstrahlung in den Arm, auch Symptome wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Schweißausbrüche, Belastungsdyspnoe sowie Minderbelastbarkeit auf“, betont die Kardiologin und meint: „Obwohl wir sehr viel über die Unterschiede zwischen den Geschlechtern wissen, sind diese zu wenig präsent.“ (Siehe Fallbericht rechts)
Die Hintergründe
Frauen sind durch die Östrogene vor Herzgefäßerkrankungen, hohem Blutdruck und KHK geschützt. In den Wechseljahren nehmen diese ab, damit steigt – 10 Jahre später als beim Mann – das Risiko, eine KHK, Karotisstenosen und Hypertonie zu erleiden. Eine Hormonersatztherapie ist kein positiver Schutzfaktor für das Herz und die Gefäße. Hoher Blutdruck in der Schwangerschaft und Schwangerschaftszucker sind Risikofaktoren, dass Frauen im Alter von 50 bis 60 Jahren eine KHK entwickeln. OÄ Steringer- Mascherbauer betont: „Wichtig sind hier die Allgemeinmediziner*innen, die die Krankheitsgeschichte verfolgen, ihre Patientinnen informieren und deren Zuckerwerte regelmäßig kontrollieren. Die KHK der Frau betrifft häufig die kleineren Gefäße, was dazu führt, dass sie leicht übersehen wird. OÄ Steringer-Mascherbauer gibt ein Beispiel: „Eine Frau leidet unter einer Stenokardie, die durch eine KHK ausgelöst wird. Sie hat eine positive Ergometrie, darauf folgt eine Herzkatheter-Untersuchung, die aber keine Hinweise auf eine Erkrankung gibt, weil die großen Gefäße in Ordnung sind.“ Oberstes Ziel der Therapie der KHK ist die Behandlung der Risikofaktoren, d. h. das Senken der Blutdruck- und Zuckerwerte. Weiters können Betablocker, Calciumantagonisten und zusätzlich Trimetazidin, was die Glucoseoxidation verstärkt, als Antianginosa eingesetzt werden. Die Expertin empfiehlt: „Ein Antiangiosum wirkt auf die kleinen Gefäße, sodass der Sauerstoffbedarf im Herzmuskel wieder ökonomisiert wird und die Frau beschwerdefrei ist bzw. wird.“ Außerdem ist auf eine adäquate Blutdruckeinstellung zu achten.
Neues Medikament bei PAH
Frauen sind häufiger von einer pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH) betroffen. Diese seltene Erkrankung kann als eine Folgeerkrankung bei systemischer Sklerose auftreten. Außerdem kann sie bei Lebererkrankungen sowie idiopathisch vorkommen, oder es besteht eine familiäre Häufung. Aufgrund unspezifischer Symptome wie Atemnot ist diese Erkrankung schwer zu diagnostizieren. Es gibt allerdings Zeichen im EKG, die auf eine Rechtsherzbelastung hindeuten. OÄ Steringer-Mascherbauer sagt: „Bis zur Diagnose dauert es oft bis zu 2,5 Jahre. Betroffene haben einen hohen Leidensdruck, weil sie gesund wirken und es dennoch nicht sind.“ Das Überleben liegt unbehandelt ab der Diagnose bei 2,5 Jahren, mit den drei derzeit verfügbaren Medikamentengruppen bei circa neun Jahren. Eine bessere Therapieoption verspricht sich die Expertin von einer neuen subkutanen Therapie mit dem Wirkstoff Sotatercept: "Die antiproliferative Substanz wird im Abstand von drei Wochen subkutan jenen Patient*innen verabreicht, die bereits mit den uns derzeit zur Verfügung stehenden PAH-spezifischen Medikamenten behandelt werden.“ Im Ordensklinikum Linz wurden außerhalb von Studien bereits die ersten vier Patient*innen auf das Medikament eingestellt.
Pulmonale Ballonangioplastie
Bei einer Form der PAH hat der*die Patient* in einen Lungeninfarkt und entwickelt in Folge eine Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH). Der bemerkte oder unbemerkte Lungeninfarkt triggert die Bildung von Engstellen in Gefäßen, wodurch sich das Herz vermehrt anstrengen muss, um Blut durchzupumpen. Es baut sich ein erhöhter Druck auf, der zu Atemnot führt. Sitzt die Erkrankung am Anfang des Gefäßbaums, ist ein großer chirurgischer Eingriff nötig. Sollte der*die Patient*in nicht operabel sein, steht mit der minimalinvasiven pulmonalen Ballonangioplastie (BPA) eine neue Therapieoption zur Verfügung. Bislang wurden 20 Patient*innen mit sehr gutem Erfolg behandelt. „Dabei fährt man mit einer Sonde durch die rechte Herzhälfte zu den Lungengefäßen und dehnt mit einem Ballon in vier bis sechs Sitzungen die Engstellen gezielt langsam auf, damit das Blut besser durchfließen und der Druck reduziert werden kann“, erläutert OÄ Steringer-Mascherbauer. „Das ist ein hochkomplexer Eingriff, wenn die Druckwerte sehr hoch sind, besteht die Gefahr eines Lungenödems.“
Unterschiede bei Rhythmusstörungen
Das Herz einer Frau ist kleiner als das eines Mannes und es schlägt bis zu zehn Schläge schneller, um dasselbe Blutvolumen in den Körper zu bringen. Außerdem hat es eine höhere Auswurfleistung. OÄ Steringer-Mascherbauer erklärt: „Bei Frauen ist die QT-Zeit im EKG länger als bei Männern. Dies führt dazu, dass QT-Zeit-verlängernde Substanzen bei Frauen häufiger maligne Rhythmusstörungen auslösen können.“ Auch bei der Medikation sollte auf das Geschlecht geachtet werden, so müssen etwa Blutverdünnungsmittel bei Frauen anders berechnet werden. „Bei Frauen ist Heparin oft zu hoch dosiert“, macht die Kardiologin aufmerksam. Frauen sind stärker von der HFpEF, dem steifen Herzen, das Lungenhochdruck verursachen kann, betroffen. Frauen werden bei Herzinsuffizienz anders behandelt und es wird ihnen auch seltener ein Schrittmacher oder Defi eingesetzt.
OÄ Dr.in Regina Steringer-Mascherbauer, Leitung Referenzzentrum Pulmonale Hypertension, Leitung Kardiale Magnetresonanztomographie, Interne II – Kardiologie, Angiologie & Interne Intensivmedizin, Ordensklinikum Linz Elisabethinen
Vorsorgeempfehlungen
OÄ Steringer-Mascherbauer empfiehlt: „Zucker- und Blutfettwerte sollten bei Vorsorgeuntersuchungen erhoben werden. Wenn sie hoch sind, sollte ein Gefäßscreening –also eine Farbduplexuntersuchung der Halsschlagader – und/oder ein CT der Herzkranzgefäße erfolgen. Liegt bereits eine Gefäßveränderung vor, gelten andere LDL-Zielwerte als bei Gefäßgesunden. Laut neuen ESC-Guideslines sollte der normale Blutdruck in Ruhe bei 120/80 mm Hg liegen. Die Blutfettwerte müssen medikamentös eingestellt werden.
Fallbericht
Vorgeschichte: Eine 72-jährige Patientin wird wegen zunehmender Belastungsdyspnoe, retrosternalem Brennen und belastungsabhängigen Schmerzen zwischen den Schulterblättern vorstellig.
Anamnese: Symptomatik nimmt seit zwei Jahren kontinuierlich zu. Zuletzt war Belastbarkeit deutlich reduziert, verkürzte Gehstrecke aufgrund von Belastungsdyspnoe und retrosternalem Brennen. Ergometrie bis 100 Watt (80 % der Zielleistung) war unauffällig.
Risikofaktoren: Z.n. Schwangerschaftsdiabetes, behandelte arterielle Hypertonie und milde Hypercholesterinämie mit einem LDL-Wert von 123 mg/dl. Der BMI liegt bei 29,2 kg/m2.
Untersuchungsergebnisse: EKG: inkompletten RSB und keine ischämietypische Veränderung Erhaltene Linksventrikelfunktion ohne regionale Wandbewegungsstörung. Herzklappen echomorphologisch unauffällig, kein Hinweis auf eine Drucksteigerung im kleinen Kreislauf.
Therapie am Ordensklinikum Linz: Aufgrund der typischen klinischen Hinweise auf eine KHK wird eine Koronarangiographie durchgeführt. Es fand sich eine 80%ige LAD-Stenose, eine signifikante Abgangsstenose des D1 sowie eine 80%ige Stenose des RCX. In derselben Sitzung erfolgt eine erfolgreiche Dilatation und Stentimplantation am CX, sowie eine Dilatation und Stentimplantation der LAD und eine Dilatation der D1-Stenose mittels Drug-eluting Balloon.
Duale Thrombozytenaggregationshemmer für sechs Monate. Statintherapie wird eingeleitet. Lebensstilmodifikation und Gewichtsreduktion wurde besprochen, Kardio-Rehabilitation wurde beantragt.
Outcome: Die Patientin ist ohne Einschränkungen wieder voll belastbar. Das Gewicht wurde reduziert und die Blutfettwerte liegen im geforderten Bereich.
Interne II – Kardiologie, Angiologie & Interne Intensivmedizin am Ordensklinikum Linz Elisabethinen