In einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft spielen Status, Religion und Sprache in der Behandlung von Krebserkrankungen eine wichtige Rolle. Insbesondere das eng mit der Sprache verknüpfte Verständnis für Behandlungen und damit die Therapieadhärenz haben eine hohe Bedeutung. 1)
Mediziner*innen führen im Laufe ihres Berufslebens rund 400.000 Gespräche mit Patient*innen und deren Angehörigen. Laut der Gesundheitskompetenz-Messung der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK 2021)2) hat fast ein Viertel der Befragten Schwierigkeiten zu verstehen, was ihr*e Arzt*Ärztin sagt. Den Patient*innen wird zu wenig zugehört und die aktive Beteiligung der Patient*innen fällt zu gering aus. Ein Drittel der Befragten hat Schwierigkeiten, Entscheidungen bezüglich ihrer Krankheit zu treffen. Laut einer Studie3) haben über 50 Prozent der Österreicher*innen eine mangelhafte Gesundheitskompetenz. Dies betrifft vor allem Menschen mit geringer formaler Bildung, in finanziell prekären Situationen oder auf Arbeitssuche sowie Personen ab 30 Jahren.
Sprechen ist nicht gleich verstehen
Mag.a Christina Mayr-Pieper, Leiterin der Abteilung für Klinische Psychologie, Psychoonkologie und Psychotherapie, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, betont: „Sprechen ist nicht gleich verstehen. Es entstehen viele Missverständnisse, weil die Botschaften bei den Patient*innen nicht ankommen. Zu viele Informationen führen dazu, dass das Gegenüber überfordert ist.“ Dazu kommt, dass die Diagnose Krebs meist einen Schock auslöst und als große Bedrohung wahrgenommen wird. Mag.a Mayr-Pieper erläutert: „Angst und Stress wirken sich auf unsere Wahrnehmung aus: Wir reagieren sensibler. Die Aufnahme ist beeinträchtigt, Negatives wird stärker wahrgenommen, es fällt schwer, Entscheidungen zu treffen, Emotionen überwiegen.“ Umso wichtiger ist es, dass Aussagen in sich stimmig sind, dass ein multiprofessionelles Team konsensual spricht und die verbale und die nonverbale Kommunikation übereinstimmen. Ein Beispiel: Der Arzt sagt „Ich habe Zeit für Sie“ und greift zugleich auf die Türklinke. Mag.a Mayr- Pieper betont: „Sprache ist mächtig. Unbedachte Äußerungen, doppeldeutige Worte können eine suggestive Wirkung haben oder Nocebo-Effekte verursachen.“ Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann, Leiter der Krebsakademie und Leiter des Zentrums für Tumorerkrankungen, Ordensklinikum Linz, weist auf einen weiteren Aspekt hin: „Eine Schwierigkeit der ärztlichen Aufklärung liegt darin, dass moderne Tumortherapien sehr komplex sind.“
Wie erfolgreich kommunizieren?
Eine klare Gesprächsstruktur unterstützt bei schwierigen Gesprächen. Mag.a Dr.in Birgit Hladschik-Kermer, MME, Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Universität Wien, erläutert: „Erfolgreiche Kommunikation unterstützt das Einhalten des Behandlungsplans, fördert Motivation und reduziert Ängste.“ Die Expertin empfiehlt nach dem Calgary-Cambridge-Guide4) vorzugehen.
Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann, Leiter der Krebsakademie und Leiter des Zentrums für Tumorerkrankungen, Ordensklinikum Linz
Sprache als Barriere
Moderne Tumortherapien bestehen immer öfter aus oralen Therapien. Doz. Weltermann betont: „Ein Segen für die Behandlung und ein Fluch für die Adhärenz.“ Die Folgen fehlender Adhärenz: Mehr Arztbesuche und Spitalsaufenthalte, geringere Zufriedenheit, suboptimale Beziehungen zwischen Patient*innen und Behandler*innen bis hin zu schlechteren Behandlungsresultaten. Die Sprache ist eine von viele Barrieren5), welche die Therapieadhärenz beeinflusst. Ein Aufklärungsformular zur Chemotherapie kann den Patient*innen nicht vermitteln, was auf sie zukommt. Ob Erläuterungen verstanden werden, ist etwa davon abhängig, ob jemand Native Speaker ist, vom Bildungsgrad, ob Fachsprache verstanden wird, wie komplex die Erkrankung ist oder ob Presbyakusis vorliegt.
Wie können Sprachbarrieren abgebaut werden?
• Mehrsprachige Informationen: Folder, Digitale Informationen
• Einsatz von Dolmetscherdiensten und digitale Übersetzungsmöglichkeiten wie z. B. befunddolmeterscher.de
• Einfache Sprache: Tipps zum Erstellen von Gesundheitsinformationen unter oepgk.at/gute-gesundheitsinformation-oesterreich leichtlesbar.ch – Tool zur Überprüfung von Texten
1) Quelle: Hybridkongress „Onkologie für die Praxis 2023“ am 5. und 6. Oktober in Linz zum Thema „Einfluss von Kultur und Sprache auf die Behandlung von Krebspatient*innen.
2) oepgk.at/website2023/wp-content/uploads/2021/06/hls19-at-bericht-bf.pdf
4) Silverman, J, Kurtz, S, Draper, J. Skills for Communicating with Patients. 3 ed; Boca Raton/ London/New York: CRC Press, 2013. doi: 10.1201/9781910227268.
5) Kommunikative Gesundheitskompetenz im Rahmen ärztlicher Gespräche. Factsheet zu den HLS19-AT Ergebnissen (oepgk.at)