Bereits einer von fünf Patienten kommt wegen eines orthopädischen Leidens zu seinem Hausarzt, Tendenz stark steigend. Ebenso nimmt die Spezialisierung in der Orthopädie und damit die Vielfalt der Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten zu. Was können Allgemeinmediziner vor Ort therapieren, in welchem Fällen sind Orthopädiespezialisten notwendig? Hausärzte und die Orthopädie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern setzen nun konkrete Schritte zur Verbesserung.
„Mittlerweile fast jeder fünfte Patient sucht die hausärztliche Praxis wegen Schmerzen und Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates auf. Eine alternde Bevölkerung mit degenerativen Erkrankungen oder Osteoporose, aber auch riskanteres Freizeitverhalten und das Volksleiden Rückenschmerzen füllen unsere Praxen. Es muss angesichts demografischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ein zentrales Anliegen in unserem Gesundheitssystem sein, eine hochwertige Primärversorgung wohnortnahe sicherzustellen. Was wir Hausärzte gut diagnostizieren und behandeln können, bedeutet Hilfe vor Ort für die Patienten und gleichzeitig eine Entlastung der Spitäler. Hierzu braucht es aber Know-How, klare Schnittstellen und vor allem partnerschaftliche Zusammenarbeit und intensive Vernetzung zwischen den Fachabteilungen im Spital und dem niedergelassenem Bereich“, sagt Dr. Erwin Rebhandl, Arzt für Allgemeinmedizin in Haslach/Mühl und Mitglied der OÖ. Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (OBGAM).
In einer gut besuchten Hausarztordination ist Zeit für den Patienten meist knapp bemessen. So muss die Diagnose schnell und mit geringem Aufwand gestellt und entschieden werden, ob in der eigenen Praxis weiterbehandelt wird oder an eine spezialisierte Ambulanz überwiesen werden muss. Keine leichte Aufgabe, gibt es doch gerade in der Orthopädie unzählige Entwicklungen, die im Detail zu kennen für Allgemeinmediziner schlichtweg unmöglich ist.
Lehren und lernen miteinander auf Augenhöhe
OBGAM und die Orthopädischen Abteilung des Ordensklinikums Linz Barmherzige Schwestern haben deshalb gemeinsam mit dem Zuweiserbeziehungsmanagement des Spitals ein innovatives Pilotprojekt entwickelt. Was sich in der umfassenden Betreuung von Krebspatienten bereits bestens bewährt, wird nun auch in der Orthopädie angewendet. Fachärzte, niedergelassene Allgemeinmediziner, deren Praxisteams und Physiotherapeuten lehren und lernen gemeinsam von und miteinander. Vorab wurden die konkreten Bedürfnisse der Hausärzte und ihrer Mitarbeiter erhoben und darauf aufbauend ein attraktives Aus- und Weiterbildungsangebot für die ganze Ordination entwickelt. Beim Fortbildungstag „Orthopädie für die hausärztliche Praxis“ am 28. Jänner 2017 in Linz gestalteten Ärzte des Spitals gemeinsam mit Hausärzten Fachvorträge und praxisnahe Workshops für Mediziner, Assistentinnen und Pflegekräfte. Die Pausen waren für alle Berufsgruppen zur selben Uhrzeit eingeplant, sodass auch Zeit für persönlichen Austausch und Netzwerkbildung bestand. Wenn sich die Praxisteams gemeinsam fortbilden macht das nicht nur mehr Spaß, sondern wirkt sich auch nachweislich positiv auf die Patientenbetreuung aus.
Orthopädie Know-How für das gesamte Ordinationsteam
Das Programm für Ärzte behandelte Orthopädiethemen der hausärztlichen Praxis und ging der Frage nach, welche Bildgebung für welches Erkrankungsbild notwendig bzw. geeignet ist. Weiters erhielten die Hausärzte wertvolle Praxistipps, um die Unterschiede zwischen degenerativen und rheumatoiden bzw. stoffwechselbedingten Erkrankungen rasch zu er-kennen. Auch ein Update zur Schmerztherapie sowie zur Behandlung des „Volksleidens“ Rückenschmerzen stand auf dem Programm.
Das Programm der Arztassistentinnen und Pflegefachkräfte beinhaltete Tipps und Tricks zur Antragsstellung für Heilbehelfe und Rehabilitation, Erste-Hilfe- Maßnahmen bei Verletzungen sowie eine Analyse aktueller Bewegungstrends zur Vorbeugung von Gelenkserkrankungen. Zudem vermittelten die Fachleute des Spitals den Einfluss psychischer Faktoren auf die Entstehung von Rückenschmerzen und informierten über geeignete Bewegungsformen für Prothesenträger. Tipps zur effizienten und gleichzeitig einfühlsamen Gesprächsführung mit Patienten rundeten das Angebot ab.
Vernetzung nützt Hausärzten und Spitälern gleichermaßen
Primarius Dr. Josef Hochreiter, Leiter der Orthopädie und des Endoprothetik-Zentrums am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern ist vom beiderseitigen Nutzen des Projekts überzeugt: „Unser Ziel ist, den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen praxistaugliches Wissen und Werkzeuge zu vermitteln, mit denen sie im Umfeld ihrer Ordinationen rasch Diagnosen und daraus Einschätzungen über den konkreten orthopädischen Behandlungsbedarf treffen können. Wir klären Schnittstellen und Definitionen, demonstrieren anschaulich orthopädische Untersuchungstechniken und vermitteln ein Wissensupdate zu den neuesten Entwicklungen in unserem Fachgebiet. So wird die Entscheidung, ob in der eigenen Praxis weiterbehandelt kann oder an uns zugewiesen werden muss, deutlich erleichtert. Umgekehrt profitieren wir im Spital vom Wissen über den oft jahrzehntelangen Betreuungsweg, den die Hausärzte und ihr Ordinationsteam mit ihren Patienten gehen. Das erleichtert uns Operations- und Therapieplanung, Pflege und Rehabilitation wesentlich. Unnötige Voruntersuchungen können entfallen, was letztendlich auch die Kostenseite entlastet und die Aufenthaltsdauer reduzieren hilft. Letztendlich ist natürlich auch das persönliche Kennenlernen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen ein Bonus in der täglichen Zusammenarbeit.“
Fotos:
Bild 1: „Orthopädie für die hausärztliche Praxis“ - Wissensvermittlung zwischen Spezialisten aus dem Krankenhaus und der Ordination
Bild 2: Fachleute des Spitals informierten über den Einfluss psychischer Faktoren auf die Entstehung von Rückenschmerzen und über geeignete Bewegungsformen für Prothesenträger.
Bildquelle: Werner Harrer