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21.06.2017

Operationserfolge nach Krebs: Neue Nase aus Rippenknorpel, Zungenplastik aus Oberschenkelgewebe

Die Wiederherstellung von Funktionalität und Ästhetik nach schweren krebsbedingten Eingriffen ist eine zentrale Aufgabe in der Therapie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, dem onkologischem Leitspital in OÖ. Bei einer 47-jährigen Krankenschwester und einem 57-jährigen Heeresangestellten ist das auf besonders ungewöhnliche Weise geschehen. Zwei Spezialisten-Teams der Plastischen Chirurgie und der HNO formten aus Gewebe des Oberschenkels eine Zungenprothese bzw. aus einem auf die Stirn verpflanzten Rippenknorpel eine neue Nase. Beiden Patienten haben die medizinisch komplexen Eingriffe gut überstanden und erlangten dadurch ein großes Stück an Lebensqualität zurück.

Die Experten aus HNO und Plastischer Chirurgiearbeiten im Zentrum für Tumorerkrankungen bei komplexen Fällen im Kopf-Hals Bereich ab dem ersten Schritt eng zusammen und planen gemeinsam den weiteren Verlauf der Behandlung. Tumorentfernung und Rekonstruktion der betroffenen Areale müssen oft parallel stattfinden, um lebensnotwendige Organfunktionen sicherzustellen, aber auch um die im Kopfbereich besonders sensible ästhetische Wiederherstellung zu gewährleisten. Nachfolgend illustrieren zwei sehr erfolgreich verlaufene interdisziplinäre Eingriffe anschaulich die vielfältigen Anforderungen an die Teams beider Professionen.

Zungenplastik aus Oberschenkellappen
Bei der 47-jährigen Krankenschwester Karin Rücklinger wurde fortgeschrittener Zungen-grundkrebs festgestellt, der einen Teil der Zunge und der angrenzenden Rachenwand befallen hatte. Nach Überweisung an das Kopf-Hals Tumorzentrum am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern entschied sich das interdisziplinäre Team aus Spezialisten der HNO und der Plastischen Chirurgie für einen komplexen Eingriff zur Tumorentnahme mit sofortiger anschließender Rekonstruktion des betroffenen Zungenareals. Die Operation dauerte fast acht Stunden, zwei Teams arbeiteten parallel. HNO-Arzt OA Dr. Wolfgang Schneidinger und sein Team entfernten das von Krebs befallene Areal aus der Mundhöhle. „Etwa die halbe Zunge musste der Länge nach amputiert werden. Um ihre zentralen Funktionen zu erhalten, ist ein Ersatz des fehlenden Gewebes nötig. Sehr wichtig ist dabei, diese `Prothese` an die umgebenden Gefäße anschließen zu können, um Durchblutung und damit ein sicheres Einwachsen des transplantierten Gewebes zu gewährleisten“, schildert Schneidinger die Rahmenbedingungen.

Währenddessen entnahm ein zweites Team um den Plastischen Chirurgen Dr. Martin Kaltseis aus dem Oberschenkel Muskelgewebe und modellierte daraus ein exaktes Abbild des amputierten Teils für die Verpflanzung. Die besondere Herausforderung ist neben der extremen Enge in der Mundhöhle auch die mikrochirurgische Arbeit, damit Durchblutung und Nerven des zusammengenähten Gewebes wieder funktionieren. „Die Rekonstruktion funktioniert, wenn noch ein Teil der Zunge am Zungengrund erhalten ist. Bis zu zwei Drittel können ersetzt werden, wenn genügend Restmuskulatur vorhanden ist. Der neu eingesetzte Teil hat keine Eigenbeweglichkeit, die Restzunge sorgt für Bewegung beim Sprechen, Trinken und Essen“, erklärt Kaltseis. Nach der Operation wurde die Patientin mit einer Magensonde und einem Rachenstoma zur sicheren Nahrungs- und Luftversorgung während des Heilungsprozesses versorgt. 14 Tage nach der Operation durfte sie erstmals Wasser trinken, dann weiche Speisen und Brei essen, ebenso begann sie mit logopädischer Unterstützung wieder das Sprechen zu üben. Mit dem weiteren Abschwellen der Zunge normalisieren sich sukzessive deren gewohnten Funktionalitäten, sodass Karin Rücklinger derzeit bereits ein weitgehend normales Alltagsleben führen und mittelfristig wieder ihrem Beruf als Krankenschwester nachgehen kann.

2.500 Jahre altes Vorbild: Neue Nase aus Rippenknorpel auf Stirn geformt
Ein österreichweit besonders spektakulärer Eingriff schenkte dem 57-jährigen Josef Rammer sein Gesicht zurück. Bei ihm wurde ein Plattenepithelkarzinom, ein sehr aggressiver Tumor im Inneren der Nase diagnostiziert, der letztendlich durch sein rasantes Wachstum eine voll-ständige Amputation der Nase erforderte. Bereits vor diesem radikalen Schritt stimmten OA Dr. Andreas Strobl, der als HNO Spezialist die Krebstherapie durchführte, und die Plastische Chirurgin OÄ Dr.in Andrea Oßberger die Rekonstruktion der Nase ab.
Ausgangsidee war eine Technik, die vor fast 2.500 Jahren in primitiver Form bereits in Indien als Nasenersatz beschrieben wird. Dabei wurde aus einem gedrehten und nach unten geklappten Stirnlappen eine neue Nase gebildet. Mangels Tragegerüst dürfte diese Rekonstruktion damals aber eher einem Rüssel geähnelt haben und kaum ästhetische Kriterien erfüllt haben. In moderner Form funktioniert diese Technik der Nasenplastik wie folgt:

„Wir haben aus einem entnommenen Rippenknorpel auf der Stirn ein Gerüst für die künftige Nase geformt. Diese Tragestruktur wurde dann unter die Stirnhaut und das darunter liegende Gewebe, den sogenannten Stirnlappen, eingebracht, wo sie im Laufe von 6 Wochen an-wuchs. Als nächster Schritt wurde dieser Aufbau vom umgebenden Haut- und Gewebematerial auf der Stirn getrennt, nach unten geschwenkt und auf die verbliebenen Fragmente der amputierten Nase gesetzt. Nach weiteren 6 Wochen war die neue Nase dann angewachsen und konnte schrittweise optisch verbessert werden. Auf die Stirn wurde Haut vom Oberschenkel transplantiert. Die Narben werden mittels Laser nachbehandelt und verblassen immer mehr“, erklärt OÄ Dr.in Andrea Oßberger. Insgesamt waren 10 Eingriffe nötig. Patient Josef Rammer ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden und kann wieder seinen gesamten Berufs- und Freizeitaktivitäten nachgehen.

Untersuchungsszene

Interdisziplinäre Krebstherapie im Kopf-Hals Tumorzentrum
Bösartige Neubildungen des Kopf-Halsbereiches zählen zu den zehn häufigsten Krebserkrankungen des Menschen. Sie lassen sich grob in Tumore der Mundhöhle, des Rachens, des Kehlkopfes, der Speicheldrüsen, der Nase und Nasennebenhöhlen sowie des äußeren Halses inklusive Schilddrüse unterteilen. Die häufigste Krebsart ist der Kehlkopfkrebs. Die drei Säulen in der Behandlung von Tumoren im Kopf-Halsbereich sind chirurgische Tumorentfernung, Strahlentherapie sowie Chemotherapie. Um eine individuell optimale Entscheidung fällen zu können, wird jeder Patientenfall in einem interdisziplinären Expertengremium, dem Tumor-Board, besprochen. Die chirurgische Entfernung des Tumors ist als ein zentrales Element in der Krebsbehandlung zu sehen. Ziel der Operation ist eine vollständige Entfernung des Tumorgewebes und, falls erforderlich, befallener Lymphknoten am Hals, da HNO-Tumoren bereits früh Krebszellen in die benachbarten Lymphknoten entsenden und sogenannte Halslymphknotenmetastasen bilden können. Oftmals reicht für die Entfernung kleinerer Krebsgeschwüre eine minimal invasive Operationstechnik, auch mit Einsatz der Lasertechnik, aus. Im Falle großer Tumoren, wird durch Gewebeersatzplastiken in Kooperation mit der Abteilung für Plastische Chirurgie eine komplette Entfernung des Tumors sowie eine funktionell und ästhetisch befriedigende Wiederherstellung der betroffenen Areale erreicht. Das Kopf-Hals Tumorzentrum am Ordensklinikum Linz ist die einzige derartige Einrichtung in Oberösterreich und behandelt HNO-Krebspatienten aus dem ganzen Bundesgebiet.

Hoher plastisch-chirurgischer Bedarf in vielen Fachgebieten
Speziell in der Wiederherstellung der Körperform und -funktion nach Tumorerkrankungen werden plastisch-rekonstruktive Techniken eingesetzt. Experten der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie sind bei der interdisziplinären Therapie in den onkologischen Zentren daher von Anfang an dabei. Das Spektrum reicht vom Brustaufbau nach Teil- oder Vollamputation, über die Wiederherstellung von Augenlidern, mund- und gesichts-chirurgischen Eingriffen, Deckung großer Haut- und Muskeldefekte bis hin zum Beckenboden. Neben der funktionalen Rekonstruktion ist auch die ästhetische Wiederherstellung ein umfangreiches Aufgabengebiet. Haut,- Gewebe und Muskeltransplantationen kombiniert mit modernster Narben- und Laserchirurgie ermöglichen in vielen Fällen sehr ansprechende Ergebnisse. Auch abseits von Krebs ist die Kompetenz der Abteilung gefragt. Fehlbildungen der weiblichen Brust, der Hände oder im Gesicht stellen wichtige Arbeitsschwerpunkte dar. Das Gleiche gilt für Problemfälle von chronischen Wunden bis zu komplizierten Defekten nach Operationen oder Verletzungen. Auch die Behandlung vaskulärer Anomalien (Tumore und Fehlbildungen von Blut- und Lymphgefäßen) bildet eine Spezialkompetenz der Abteilung. Ein weiteres Gebiet stellen Eingriffe wie Bodylift und Abdominoplastik dar. Diese Techniken kommen etwa bei Adipositas-Patienten nach extremen Gewichtsverlusten zum Einsatz. Durch die Eingriffe kann für viele betroffene Patienten ein neben den körperlichen Beschwerden auch psychisch sehr belastender Leidensweg beendet werden.

Bild 1:  Untersuchungsszene
HNO-Spezialist OA Dr. Wolfgang Schneidinger (r.) und der Plastische Chirurg Dr. Martin Kaltseis stellten die Zungenfunktion von Patientin Karin Rücklinger wieder her.
Bild 2: Untersuchungsszene
Sehr zufrieden sind Patient Josef Rammer und die Plastische Chirurgin OÄ Dr.in Andrea Oß-berger mit der rekonstruierten Nase, die auf der Stirn heranwuchs.
Bild 3: Gesprächsszene
Patientin  Karin Rücklinger freut sich mit ihren Ärzten Dr. Martin Kaltseis (Plastische Chirur-gie) und OA Dr. Wolfgang Schneidinger (HNO) über den guten Verlauf der Operation.
Bild 4: Gesprächsszene
Patient Josef Rammer führt dank OÄ Dr. in Andrea Oßberger (Plastische Chirurgie) und OA Dr. Andreas Strobl (HNO) wieder ein normales Berufs- und Privatleben.

(Bildquelle: Ordensklinikum Linz / Harrer 1,3, Herbe 2,4)