Oben schlank, unten sehr dick. Frauen, die an einer Fettverteilungsstörung – Lipödem genannt – leiden, besitzen eine auffällige Körperproportion.
Lipödem tritt immer symmetrisch auf, das heißt, dass beide Körperseiten gleichmäßig betroffen sind. In der Regel tritt sie von der Hüfte abwärts auf. Ein typisches Beispiel: Für die obere Körperhälfte benötigt man Kleidergröße 38, für die untere Hälfte Größe 44. Erst wenn die Entwicklung jahrelang fortschreitet, ist unter Umständen auch die obere Körperhälfte betroffen (vor allem die Oberarme).
Ursache unbekannt
Die Ursachen der Erkrankung sind bislang unbekannt. „Da ausschließlich Frauen betroffen sind, und sich die Erkrankung vermehrt während der Pubertät oder der Schwangerschaft ausbildet, ist ein hormoneller Einfluss nicht von der Hand zu weisen“, sagt Dr. Veronika Patzer-Kohlmayr, Fachärztin für Plastische, Ästhetische & Rekonstruktive Chirurgie am Ordensklinikum Linz, Barmherzige Schwestern.
Lipödem erkennen
Neben der optischen Auffälligkeit kommt es bei dieser Erkrankung häufig zu Schwellungen der Unterschenkel (vor allem in der zweiten Tageshälfte), zu Druckschmerzen, Berührungsempfindlichkeit, Schmerzen bei enger Kleidung, Schweregefühl in den Beinen, Besenreiser und vermehrter Bildung von Hämatomen. Zudem verändert sich die betroffene Haut je nach Stadium der Erkrankung. Es zeigen sich Dellen (sogenannte Orangenhaut) und an Hüften und Gesäß sogenannte Reiterhosen. In fortgeschrittenen Fällen stülpt sich die Haut der Unterschenkel über die Fußknöchel.
Diagnose
Eine Diagnose ergibt sich anhand einer Anamnese (Gespräch über die Beschwerden), einer körperlichen Untersuchung und der Messung des Body-Mass-Index (BMI). „Meist sind intensive Gespräche mit den Patientinnen nötig, um das Verständnis für die Erkrankung und die nötigen Maßnahmen zu wecken. Drei Viertel der Betroffenen haben zudem chronische Essstörungen, acht Prozent leiden an Bulimie“, sagt Dr. Sotiria Theodosiadi, Fachärztin für plastische Chirurgie bei den Barmherzigen Schwestern Linz.
Adipositas und Lipödem
Übergewicht und Lipödem werden sowohl von Patientinnen als auch von Ärzten häufig verwechselt oder fälschlicherweise gleichgesetzt. Übergewicht ist eine Sache eines zu hohen BMI, bei einem Lipödem dagegen liegt eine krankhafte Störung der Fettverteilung samt Wassereinlagerungen vor. Nur eine genaue Diagnose kann hier Licht ins Dunkel bringen.
Bei unbehandelten Patienten liegt häufig beides vor, Adipositas plus ein Lipödem. Um in diesem Fall ein Lipödem eindeutig durch die Körperproportionen sichtbar zu machen, muss die Patientin zuerst abnehmen. Auch die Behandlung der Problemzonen wird erst nach einer Gewichtsreduzierung besser möglich.
Ein Beispiel aus der Praxis: „Eine Patientin mit einem BMI über 40 hatte ein ernährungsbedingtes Übergewicht und auch ein Lipödem-Problem. Zuerst hat sie ihr Übergewicht mit Ernährungsumstellung und Bewegung in Angriff genommen, und als sie 40 Kilogramm abgenommen hatte, entsprach die obere Körperhälfte der Norm und in der unteren blieb das Lipödem übrig, das wir schließlich gut behandeln konnten“, erzählt Theodosiadi.
Psychologische Betreuung
Betroffene Frauen werden wegen ihres Aussehens oft als faul und bewegungsunwillig beurteilt. In Unkenntnis der Erkrankung werden Eigenschaften unterstellt, die die Betroffenen umso mehr schmerzen, da sie ohnehin schon an der Erkrankung mit ihren körperlichen und sichtbaren Auswirkungen zu leiden haben. Kein Wunder also, wenn auch die Psyche leidet. Patientinnen wird daher häufig zu einer begleitenden psychologischen Therapie geraten. „Eine psychologische Betreuung fördert auch die Bereitschaft der Patientinnen, sich an die vereinbarten Maßnahmen zu halten und dient damit der Therapie“, sagt Patzer-Kohlmayr.
Fettabsaugung – Operation als letzter Schritt
Eine Operation ist niemals die erste Therapiemaßnahme, sondern es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit sie überhaupt in Betracht kommt:
- Zuvor muss eine konservative Therapie in der Dauer von mindestens sechs bin zwölf Monaten erfolgt sein.
- Mittels konservativer Therapie stellt sich der gewünschte Erfolg nicht ein und die Beschwerden bleiben aufrecht oder verschlimmern sich.
- Die Patientin arbeitet mit und hält sich an die vereinbarten Maßnahmen.
- Im Falle einer gleichzeitig vorhandenen Adipositas ist eine Operation erst dann möglich, wenn der BMI auf 30 bis 32 reduziert wurde. Ist der BMI deutlich höher, hat eine OP keinen Sinn.
Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und die Patientin auch unter optimalen Therapiemaßnahmen keine Besserung erfährt, kommt eine Operation in Betracht.
OP ist kein Wundermittel
Aber Achtung! Oft wird die Meinung transportiert, dass eine Operation das Problem dauerhaft lösen würde. Die Behauptung „einmal absaugen und alles ist gut“ entspricht nicht den Tatsachen. Eine Operation bedeutet nicht das Ende der Therapie. Zum einen werden Fettabsaugungen bei einem Teil der Patientinnen im Laufe der Jahre auch ein- oder mehrmals wiederholt, zum anderen bedeutet eine Operation nicht, dass die anderen Maßnahmen (vor allem das Tragen von Kompressionsbestrumpfung und entsprechender Ärmel) beendet werden können.
Nach einer OP sollte man sich ärztlich begleiten lassen, das heißt in Absprache mit dem behandelnden Arzt Kontrolluntersuchungen vornehmen zu lassen. „Im Grunde ist es ein lebenslanger Prozess. Es ist aber nicht so dramatisch wie es sich anhört. Man kann sich gut an die Kompressionskleidung gewöhnen und man nimmt diese meist auch gut an, weil es einem damit besser geht, etwa weil keine Schwellungen mehr auftreten“, sagt Patzer-Kohlmayr.
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