Seit 2014 wird der Da-Vinci-Operationsroboter bei transoralen Eingriffen im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern eingesetzt. Die Abteilung für HNO, Kopf- und Halschirurgie nahm dabei in mehrfacher Hinsicht eine Vorreiterrolle ein.
Die Erstzulassung des Da-Vinci-Operationsroboter bei Transoral Robotic Surgery (TORS) in den USA durch die FDA erfolgte 2009. 2016 gab es europaweit nur wenige Zentren, an denen TORS betrieben wurde. In Österreich starteten Prim. Univ-Prof. Dr. Martin Burian und OA Dr. Andreas Strobl am Ordensklinikum Linz mit den ersten transoralen Eingriffen. Zudem war die HNO-Abteilung nach der Urologie die zweite Fachrichtung, die das Da-Vinci-System am Ordensklinikum Linz nutzte. Seither wurden an die 250 TORS-Eingriffe durchgeführt, wobei die Operationszahlen nach der Neuanschaffung eines Da-Vinci-Xi-Operationssystems für den Standort Barmherzige Schwestern deutlich zulegten und derzeit bei zirka 100 Eingriffen pro Jahr liegen. Derzeit sind drei HNO-Chirurgen am Multiportroboter ausgebildet. Heute stellt die transorale robotische Chirurgie eine Ergänzung zu anderen transoralen und transzervikalen Operationsmethoden dar. Vor allem bei Tumoroperationen im Rachen, im erweiterten Rachen und im Bereich des Kehlkopfes sowie bei Schnarchoperationen bietet der Da-Vinci-Roboter viele Vorteile. Dennoch, das Fehlen einer taktilen Rückmeldung und eine für den HNO-Bereich grenzwertig klobige Ausführung schränken nach wie vor eine umfangreichere Nutzung ein. OA Dr. Andreas Strobl, Leiter des Kopf-Hals-Tumorzentrums, erläutert: „Der Da-Vinci-Roboter wird in der HNO vorwiegend an Spezialzentren genutzt, da die Indikationen für die Verwendung und die damit verbundenen Fallzahlen begrenzt sind. Die robotische Chirurgie hat die größten Vorteile bei Operationen im Bereich des Zungengrundes und des Parapharyngealraumes.“
HPV-assoziierte Karzinome beeinflussen Stellenwert der Chirurgie
Rund 150 Kopf-Hals-Malignome werden pro Jahr im Ordensklinikum Linz neu diagnostiziert. Das sind rund 70 % aller HNO-Tumoren in Oberösterreich. Die Hälfte der Tumoren wird konservativ, die andere chirurgisch therapiert. HNO-Karzinome treten gehäuft ab dem 50. Lebensjahr mit einem Altersgipfel um das 65. Lebensjahr auf. Als Risikofaktoren gelten Noxen wie Nikotin, Alkohol, schlechte Mundhygiene und mechanische Schleimhautreizungen. Vor allem im Bereich des lymphatischen Gewebes im Oropharynx führen die onkogenen HPV-Viren Typ 16 und 18 vermehrt zu Karzinomentstehungen, wobei ein vergrößerter Halslymphknoten oftmals das erste Symptom darstellt. Das Altersspektrum verschiebt sich zusehends in den jüngeren Bereich. OA Strobl betont: „Mittlerweile haben wir eine Pattstellung von HPV pos und HPV neg Oropharynxkarzinom-Erstdiagnosen. Da dadurch immer mehr jüngere Patient*innen ein Malignom entwickeln, muss in der Therapiewahl die Langzeittoxizität Beachtung finden. Der mögliche Verzicht auf eine organschädigende Radiochemotherapie im primären oder adjuvanten Setting spielt eine wichtige Rolle und rückt die Chirurgie wieder mehr ins Zentrum.“ OA Strobl appelliert an die Kolleg*innen im extramuralen Bereich: „Jeder unklare Knoten am Hals sollte zeitnahe HNO-fachärztlich abgeklärt werden, ebenso ist die Bevölkerung weiter über die Sinnhaftigkeit der HPV-Impfung für Mädchen und Burschen zu sensibilisieren. Es gibt eine ,Impfung gegen Krebs‘.“
Einsatzgebiete von TORS
Im vorigen Jahrhundert wurden die meisten Kopf-Hals-Tumoren transzervikal mit erheblichen negativen funktionellen Folgen operiert. Mit der Etablierung der transoralen mikroskopgestützten Laserchirurgie konnte hier eine deutliche Verbesserung in Hinblick auf das Langzeit-Schluck- und Sprechvermögen erzielt werden. Dennoch verblieben anatomische Regionen, die kaum und nur mit hoher chirurgischer Expertise zugänglich waren. In diesen Bereichen stellt der Operationsroboter eine optimale Ergänzung dar. OA Strobl erklärt: „Im Bereich des Zungengrunds sowie bei verwinkelten Rachenbereichen ist der Laser limitiert, da man mit dem geraden Strahl nicht um die Ecke schneiden kann. Mit den mobilen Armen des Roboters hingegen können Operateur*innen in Nischen, Taschen und Winkel gelangen und das zu entfernende Gewebe besser mobilisieren.“ Weiters punktet der Roboter durch diverse Endoskope und Vergrößerungen mit einer besseren Sicht auf das OP-Gebiet: Tumorresektionen im Ganzen (en bloc) gelingen damit einfacher, was eindeutige histologische Aussagen und klare weitere Therapiestrategien zur Folge hat. Im Optimalfall kann auf eine adjuvante Therapie verzichtet werden.
Der Da-Vinci-Roboter ermöglicht durch die Vergrößerung
eine ideale Sicht auf das OP-Gebiet.
OA DR. Andreas Strobl, Leiter des Kopf-Hals-Tumorzentrums am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern
Außerdem spart man sich in der Regel Schutztracheotomien. Diese müssen oftmals bei onkologischen Eingriffen, etwa als Aspirationsschutz bei Blutungen oder bei Gefahr von Schwellungen, durchgeführt werden. Generell können mit dem Da-VinciRoboter Blutungen besser eingesehen und versorgt werden. Wie bei der Laserchirurgie profitieren die Patient*innen bei TORS auch funktionell. OA Strobl führt aus: „Sie leiden weniger unter Schluckbeschwerden, die Beweglichkeit der Zunge ist besser und es gibt weniger Probleme beim Sprechen.“ Der Einsatz des Da-Vinci-Roboters ist auch bei benignen Speicheldrüsentumoren sinnvoll, die von der Ohrspeichel- oder der Unterkieferspeicheldrüse ausgehend in den Parapharyngealraum ragen. Dieses Areal war bislang rein minimalinvasiv äußerst schwer erreichbar, Tumorresektionen erfolgten in der Regel transzervikal (+/- MandibulaSplitting) oder kombiniert. OA Strobl erläutert: „Transorale Dissektionen ziehen deutlich weniger Gewebsschädigung nach sich, die Gefahr von Fisteln, Nerven- und Gefäßverletzungen ist geringer.“ Der Da-Vinci-Roboter eignet sich überdies für die Behandlung von gutartigen Veränderungen. Er kommt in der Schnarchchirurgie, bei der Entfernung von Zysten bei Zungengrundverdickung sowie bei Mandeloperationen bei Erwachsenen zum Einsatz.
Suche nach dem Ursprungstumor
Ein weiteres Steckenpferd der Roboterchirurgie ist das Aufspüren von Primärherden im Rahmen der CUP-Diagnostik. Nachdem ein maligner Lymphknotenbulk am Hals oftmals das erste Anzeichen eines HPV-positiven Oropharynxkarzinoms darstellt, trat diese Situation durch den Anstieg dieser Tumore in den letzten Jahren vermehrt auf. Für die weitere Therapiestrategie ist die Primärtumordetektion von großer Relevanz. Die Mehrheit der meist HPV-positiven Veränderungen liegen im Zungengrund oder in den Tonsillen. Trotz verbesserter bildgebender Verfahren lassen sich diese Herde sogar in PET CT-Untersuchungen manchmal nicht erkennen. OA Strobl erklärt: „Im Gegensatz zu ungezielten ,Punch-Biopsien‘ bietet die roboterassistierte Zungengrund-Mukosektomie und Tonsillektomie eine Primärtumordetektions-Wahrscheinlichkeit von an die 90 %. Im positiven Fall gilt es den Tumor und die ableitenden Lymphbahnen zu behandeln, im negativen Fall wird lediglich die tumorbefallene Halslymphknotenseite therapiert.“
Zukunftsaussichten
Weitere technische Entwicklungen in Form von taktilen Rückmeldungen, Image Guidance und Augmented Reality sind zu erwarten und werden die chirurgische Sicherheit in den nächsten Jahren erhöhen. Speziell im HNO-Bereich könnten Single-Port-Geräte das Operationsspektrum in Richtung Hypopharynx und Larynx erweitern.
Kopf-Hals-Tumorzentrum Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern
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