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Ordensklinikum Linz

Neues Konzept für die Urotherapie: Was tun, wenn das Kind nicht trocken wird?

Datum: 01.07.2025

Schambehaftet und mit großem Leidensdruck verbunden ist das Thema des Bettnässens für betroffene Kinder und ihre Familien. Erste Anlaufstation ist oft die Kinderurologie im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. Dort gibt es jetzt Gruppenschulungen, zu denen die Kinderärzt*innen nach erster Abklärung ohne einen Ambulanztermin direkt zuweisen können.  Bei den Schulungen werden hilfreiche Praktiken und Infos vermittelt und die Familien erhalten eine besonders wichtige Botschaft: „Ihr seid nicht allein.“

Wenn Kinder nicht trocken werden, leiden nicht nur die Betroffenen selbst. Studien belegen, dass sich das Bettnässen auf die Lebensqualität vergleichbar negativ auswirkt, wie Streitigkeiten in der Familie oder die Trennung der Eltern. Noch immer ist Bettnässen, im Fachjargon Enuresis genannt, ein gern verschwiegenes, aber weit verbreitetes Phänomen. Etwa 15 Prozent der Sechsjährigen sind mehr als dreimal pro Monat in der Nacht richtig nass. „Die Schlaftiefe, die nächtliche Harnproduktionsmenge und eine möglicherweise verzögerte Entwicklung der neurophysiologischen Steuerung der Blase sind die drei wichtigsten Faktoren, die das Bettnässen beeinflussen“, erklärt Prim. Priv.-Doz. Dr. Dr. Bernhard Haid, FEAPU, FEBU, Leiter der Kinderurologie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern.

Rund die Hälfte der betroffenen Kinder nässen auch tagsüber ein, was die Belastung weiter erhöht. „Nur bei einem von 500 Kindern ist die Inkontinenz auf ein organisches Problem wie eine Harntraktfehlbildung zurückzuführen, welches an unserer Spezialambulanz chirurgisch oder konservativ behandelt werden könnte“, so Abteilungsleiter Prim. Haid.
 

Ohne Ambulanztermin zur Schulung

Um die von Harninkontinenz betroffenen Kinder und ihre Familien dennoch optimal betreuen zu können, werden Gruppenschulungen für jeweils maximal 20 Teilnehmer*innen unter der Leitung erfahrener Urotherapeut*innen angeboten. „Für 90 Prozent sind diese Schulungen der richtige Weg. Kindgerecht wird darauf hingewiesen, was bei anhaltendem Bettnässen wichtig ist, wie man das Trockenwerden üben und damit die Gesamtsituation verbessern kann. Ganz wichtig ist es dabei, die Eltern mit ins Boot zu holen“, sagt die Diplomierte Gesunden- und Krankenpflegerin und Urotherapeutin Marion Zauner. Wenn der Ultraschall vom Harntrakt unauffällig ist, dann können die kleinen Patient*innen mit einer Überweisung ihrer Kinderärzt*innen direkt an der Gruppenschulung teilnehmen, ohne lange auf einen Ambulanztermin warten zu müssen.

Die Enttabuisierung des Themas ist einer der zentralen Aspekte der Schulungen. „Die Eltern und Kinder sehen, dass sie nicht allein sind mit ihrem Problem und schon das erleichtert die Situation enorm“, so die Urotherapeutin. Auch die richtige Anwendung von Klingelgeräten, die die Eltern alarmieren, sobald das Kind einnässt und bei falscher Anwendung zu Frust führen können, wird verständlich erklärt. „Hausübungen“ unter anderem mit Tipps zur Trinkmenge und optimalem Toilettenverhalten werden ebenfalls ausgehändigt. Das Einfühlungsvermögen der erfahrenen Urotherapeut*innen kommt dabei den Teilnehmer*innen zugute: „Bei den Vorträgen merkt man gleich, wie die Patient*innen auf die einzelnen Themen reagieren und kann so dann die richtigen Ansatzpunkte finden. Für jedes Kind gibt es individuelle Empfehlungskonzepte“, erklärt Marion Zauner. Über den Zeitraum von zwei Monaten nach der Gruppenschulung wird evaluiert, welche Fortschritte die Patient*innen gemacht haben und ob es weitere Behandlungen oder Therapien braucht.

Fotos © Ordensklinikum Linz: DGKP Theresa Haider-Stichlberger (l.) und Urotherapeutin Marion Zauner mit Abteilungsleiter der Kinderurologie Bernhard Haid

 

Ab wann sollte Enuresis abgeklärt werden?

Kinder sind in ihrer Entwicklung sehr unterschiedlich, weswegen es kein Alter gibt, ab dem sie trocken sein müssen. „Grundsätzlich ist das abgeschlossene fünfte Lebensjahr ein guter Richtwert, wobei der individuelle Leidensdruck berücksichtigt werden sollte. Mit einer 20-prozentigen Spontanheilungswahrscheinlichkeit ist es manchmal besser noch ein bisschen zuzuwarten, bevor man ein Problem erschafft, wo vorher keines war“, so Prim. Bernhard Haid. Obwohl hauptsächlich Kinder im Kindergarten- oder Volksschulalter betroffen sind, gibt es auch Patient*innen, die deutlich älter sind. „Auch 16- oder 18-Jährige kommen zu uns. Bis zum 18. Geburtstag sinkt die Häufigkeit der Enuresis allerdings linear auf ein Prozent ab,“ ergänzt Haid. Auch erbliche Faktoren spielen beim Bettnässen eine wesentliche Rolle. Wenn beide Eltern mit 10 Jahren noch nicht trocken waren, dann sind die Kinder in über 50 Prozent der Fälle ebenfalls Bettnässer.

Die Stuhlverstopfung ist der häufigste, nicht entwicklungsbedingte Grund für eine überaktive Blase. Durch die erhöhte Menge an Stuhl ist der letzte Teil des Darms ständig gedehnt. In diesem Bereich liegen jene Nerven, die auch die Blase versorgen. „Die Harndrangwahrnehmung ist dadurch gestört und Kinder werden schwieriger trocken. Dass die Darmentleerung mit der Blasenentleerung so eng zusammenhängt, wissen die meisten nicht“, erklärt der Abteilungsleiter. Durch eine gezielte Behandlung der funktionellen Obstipation, die mit einem Ultraschall nachgewiesen werden kann, ist auch das nächtliche Bettnässen sowie die Harnkontrolle tagsüber in den meisten Fällen erfolgreich regulierbar.