Aktuelles

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Ordensklinikum Linz

Gut leben mit chronischer Erkrankung

Datum: 26.04.2022

Wie die Klinische Psychologie helfen kann, die Lebensqualität mit chronischer Erkrankung zu verbessern

„Stellen Sie sich vor, Ihnen läuft ein Haustier zu, das sie eigentlich nicht wollen. Man ist zuerst einfach überrascht und weiß nicht, wie man dazu kommt, dann versucht man es loszuwerden. Erst später versteht man, dass es dableiben wird. Man beginnt sich mit ihm und seinen Anforderungen zu arrangieren und sich darauf einzustellen. Irgendwann hat man gelernt, damit zurecht zu kommen.“ So, oder so ähnlich vergleicht Mag.a Simone Retschitzegger, Klinische- und Gesundheitspsychologin am Ordensklinikum Linz Elisabethinen den Krankenpflege-Schüler*nnen kurz zusammengefasst den Prozess, den Patient*innen mit chronischen Erkrankungen durchmachen.

Jede Art von chronischer Erkrankung ist für Patient*innen eine Herausforderung, auf die jede ganz unterschiedlich reagiert. Gemeinsam ist die Verunsicherung von der Betroffene nach der Diagnose erfasst werden, wenn plötzlich vieles infrage gestellt wird und der Alltag oft neu gestaltet werden muss. Die Klinische Psychologie kann dabei viel Positives leisten. „Wir haben es eigentlich überwiegend mit chronisch Erkrankten zu tun“, erklärt Retschitzegger „und meistens mit der gleichen Frage: Wie kann es jetzt weiter gehen?“

Krebs, zum Beispiel, ist in den Köpfen vieler Menschen immer noch eine tödliche Krankheit, was heute aber so nicht mehr stimmt. Neueste Therapieformen und die individualisierte Me-dizin haben aus früher unheilbaren Krankheiten heute chronische gemacht. In Gesprächen geht es darum, mit den Menschen Wege zu finden, wie man trotzt einer solchen Erkrankung qualitätsvoll leben und den Alltag damit bewältigen kann.

Fokus auf Ressourcen

Mit der Diagnose fokussiert sich die/der Betroffene oft ganz stark auf die Krankheit. Ähnlich des Lichtstrahls einer Taschenlampe richtet sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Erkrankung und die damit einhergehenden Anforderungen und Belastungen.

„Genau hier versucht die Klinische Psychologie anzusetzen. Wir helfen, dass aus dem engen Lichtstrahl ein Lichtkegel wird, der eine größere Fläche ausleuchtet und auch die anderen Aspekte des Lebens wieder sichtbar macht. Die Krankheit ist zwar da, aber sie sollte nicht ausschließlich unsere Wahrnehmung dominieren“, meint Retschitzegger und verweist wieder auf den Vergleich mit dem zugelaufenen Haustier. „Wenn einem ungewollt ein Haustier zuläuft, dann wird unser Leben plötzlich stark von diesem in Beschlag genommen. Es will gefüttert werden, macht Mist und braucht Auslauf etc. Das bremst unser bisheriges Leben ordentlich ein. Wir müssen uns nach den neuen Gegebenheiten richten. Je besser wir die Bedürfnisse des neuen Mitbewohners verstehen lernen, umso einfacher wird es, miteinander zu leben.“ Und so gilt das auch für das Leben mit einer chronischen Erkrankung. Je mehr wir darüber informiert sind, je mehr Strategien wir zur Verfügung haben, damit umzugehen, umso besser lebt es sich damit.

Vielen Patient*innen hilft es, wenn sie gemeinsam mit den Psycholog*innen auf Bereiche und Fähigkeiten aufmerksam gemacht werden, die trotz Einschränkungen durch die Erkrankung weiter gut funktionieren. Die Gespräche fokussieren immer auf die Ressourcen, die den Patient*innen zur Verfügung stehen. Ein Mensch mit rheumatoider Arthritis zum Beispiel kann zwar in seiner Beweglichkeit eingeschränkt sein, sich aber dennoch kompetent erleben in seinem beruflichen Alltag.

Unsere Gedanken und Einstellungen gegenüber der Außenwelt und uns selbst gegenüber haben einen großen Einfluss darauf, wie wir Stressoren (wie zum Beispiel chronischen Erkrankungen) begegnen und mit ihnen umgehen:

  • Wie gut fühlen sich die Patient*innen durch ihre Umgebung / Angehörigen unterstützt? „Man muss nicht alles alleine schaffen“, ist eine zentrale Botschaft! Es ist oft ein Prozess, Hilfe von Angehörigen, als auch von Professionist*innen akzeptieren zu können und davon zu profitieren.
     
  • Haben die Patient*innen früher bereits Strategien entwickelt wie man mit Krisen umgeht, weil sie schon andere schwierige Situationen gemeistert haben im Sinne von „Damals habe ich auch einen Weg gefunden!“ oder „Das werde ich auch dieses Mal schaffen!“ Oft helfen diese Erfahrungen auch bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderung.
     
  • Ebenso spielen Vorerfahrungen mit ähnlichen Krankheitsbildern und –therapien eine entscheidende Rolle. Gab es in der Familie oder im Bekanntenkreis schon Erkrankungen dieser Art und wie ist es den Betroffenen damit gegangen? Gibt es hier positive Modelle? Selbsthilfegruppen können zum Beispiel helfen, den Erfahrungsschatz zu vergrößern.

    Das Ordensklinikum Linz wurde vom Dachverband Selbsthilfe OÖ mit dem Gütesiegel „Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ ausgezeichnet. Infos dazu: www.ordensklinikum.at/de/patienten/selbsthilfe

Mag.a Simone Retschitzegger, Klinische- und Gesundheitspsychologin am Ordensklinikum Linz Elisabethinen

 
  • Wie ist der Zugang zur Krankheit ganz allgemein? Hadern die Betroffenen mit ihrem Schicksal, machen sie sich Vorwürfe, weil sie es soweit kommen haben lassen oder nehmen sie die Krankheit als Anstoß Dinge zu verändern, die sie sowieso verändern wollten?
     
  • Übernehmen die Patient*innen Verantwortung in der Behandlung oder lassen sie sich behandeln? Ein ganz wichtiger Schritt in der Krankheitsbewältigung ist, die Erkrankung zu akzeptieren. Das Annehmen bedeutet keinesfalls aufzugeben oder zu resignieren! Vielmehr ist das die Voraussetzung dafür, handlungsfähig zu bleiben und sich mit den bestehenden Möglichkeiten ernsthaft auseinander setzen zu können. Zum Beispiel zu schauen, was man selber beitragen könnte, damit es einem besser geht.
     
  • Auch Neues auszuprobieren, über den Tellerrand zu schauen, kann hilfreich sein, sich weiterzuentwickeln und zu stärken. Oft bewirken schon kleine Veränderungen viel – es muss nicht immer gleich die große Lebensstilmodifikation sein.
     
  • Insgesamt geht es beim ressourcenorientierten Arbeiten nicht darum, die Dinge schönzureden oder durch die rosarote Brille zu sehen. Es ist ebenso wichtig, unangenehmen Gefühlen wie Angst, Wut und Traurigkeit einen Raum zu geben. Neben Gesprächen mit Psycholog*innen kann auch Tagebuch schreiben eine Möglichkeit sein, Emotionen auszudrücken und insofern entlastend wirken. Damit werden die Gedanken kontrollierbarer und treiben nicht mehr unentwegt das Gedankenkarussell an, welches sehr belastend sein kann für die Bertoffenen.
  • „An unserer Abteilung werden Patient*innen nur überwiesen, wenn sie ausdrücklich zustimmen. Darüber bin ich sehr glücklich, weil damit sichergestellt ist, dass die Patient*innen auch wirklich an der Thematik arbeiten wollen“, analysiert Mag.a Retschitzegger. „Jeder Mensch ist unterschiedlich und individuell. Wir sind Impulsgeber und wollen dabei unterstützen, dass unsere Patient*innen eine neue Sichtweise auf ihr Leben mit der Erkrankung entwickeln können.“

     

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