Die Pandemie hat Ordnungen zerstört, Gesundheit und Existenzen gefährdet und belastet die Psyche vieler Menschen massiv. Als Folge der Corona-Pandemie droht der Welt nach UN-Angaben eine massive Verbreitung psychischer Störungen. Die UN-Expertennennen als mentale Belastungsfaktoren der Krise auch die Sorgen um Arbeitsplatz und den Lebensunterhalt. Die Anzahl jener Menschen, die an depressiven Symptomen oder Angstleiden, habe sich in Österreich verfünffacht, besagen aktuelle Studien. Die OÖNachrichten haben Mag. Birgit Wille-Wagner, Leiterin der Abteilung für Klinische Psychologie im Ordensklinikum Elisabethinen Linz, zum Interview gebeten.
Wie kommt es, dass diese Pandemie unsere Psyche derart mitnimmt?
Wille-Wagner: Wir haben mehrere Wochen in Anspannung gelebt. Die Angst vor Krankheit, Tod und Jobverlust war stets präsent. Leider hat Angst manchmal die blöde Eigenschaften, sich zu verselbständigen und zu bleiben, auch wenn die Gefahr kleiner wird. Wer sich auch weiterhin fürchtet, wird erschöpft und lebt in einer permanenten Anspannung.
Die psychische Krise kommt also erst nach der echten Krise?
Wille-Wagner: Solange der Mensch im Vollmodus der Anspannung ist, haben psychische Symptome nicht so viel Platz. Wenn der Stress nachlässt, kann es zu Erschöpfungsdepressionen und Angstzuständen kommen.
Die Gasthäuser sperren heute wieder auf, die Grenzen öffnen sich langsam. Es scheint, als würde sich das Leben langsam normalisieren. Sollte dies nicht auch die Psyche stabilisieren?
Wille-Wagner: Das muss nicht sein. Viele Menschen können mit Veränderungen im Leben schlecht umgehen – noch dazu, wenn sie weder Einfluss noch Kontrolle auf die Geschehnisse haben. Die alte Ordnung wird von heute auf morgen zerstört. Und kaum hat man sich mit der neuen Situation abgefunden, muss man wieder etwas verändern.
Leiden derzeit vor allem jene Menschen, die schon vorher ängstlich oder depressiv waren?
Wille-Wagner: Nicht immer. Diese Ausnahmesituation drückt auch auf die Psyche von Menschen, die vorher alle Herausforderungen im Leben stabil bewältigt haben.
Das ist auch damit zu erklären, dass man auf keinerlei Erfahrungswissen zurückgreifen kann. Wir wissen ganz einfach nicht, wie man mit so einer Pandemie und ihren Folgen umgeht.
Glauben Sie, dass die Suizidrate steigen wird?
Das ist nicht auszuschließen.
Wer sollte sich professionelle Hilfe holen?
Wenn Angst, Antriebslosigkeit und Schlafstörungen nicht vergehen, sollte man unbedingt handeln. Text: Barbara Rohrhofer | OÖN
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