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Ordensklinikum Linz

Die Krankenhausapotheke der Elisabethinen: Das Erbe der Ernestine von Sternegg

Datum: 28.12.2021

Vor 11 Jahren hat Dr. Wolfgang Ibrom von Sr. Theresita die Leitung der Krankenhaus-Apotheke bei den Elisabethinen übernommen. Nachdem er zuvor Stellvertretender Apothekenleiter im Krankenhaus in Braunau war, hatte er die Chance genutzt und sich auf die Ausschreibung der Apothekenleitung bei den Liesln beworben, weil deren Ruf als innovative und fortschrittliche Klinik schon lange bekannt war.

„Ich hatte das Gefühl, hier etwas bewegen zu können“, erinnert sich Ibrom über das Motiv seiner Bewerbung. Der gebürtige Baden-Württemberger, der in Freiburg studiert und promoviert und anschließend fünf Jahre in der Zentralschweiz gearbeitet hatte, war für eine Fortbildung nach Oberösterreich gekommen und ist hier letztendlich geblieben. Wir haben mit ihm ein Gespräch über seine Aufgaben und Visionen geführt, und dabei einen interessanten Einblick in eine Welt gewonnen, ohne die ein Krankenhaus nicht funktionieren würde.

21 Personen umfasst das Team aktuell, das sich aus acht Pharmazeuten, zehn pharmazeutisch kaufmännischen Angestellten und drei Apotheken- Hilfskräften zusammensetzt. „Unser Job ist deshalb so spannend, weil das Aufgabenspektrum so vielseitig ist, wie bei kaum einem anderen Beruf“, kann sich Ibrom begeistern. Das klassische Leistungsspektrum der Krankenhausapotheke baut auf vier Säulen auf: Der Logistik, der Produktion, der klinischen Pharmazie und dem strategischen Pharmaeinkauf.

Logistik

Die Versorgung der Krankenhauspatienten mit Arzneimitteln, neben anderen Gütern, wie enteralen und parenteralen Ernährungslösungen, usw. stehen im Fokus der Aufgaben der Krankenhausapotheke. Zur Zeit sind zirka 2000 Medikamente in der Apotheke lagernd. Welche Arzneimittel in der sogenannten Hausarzneimittelliste neu aufgenommen werden, wird von der Arzneimittelkommission festgelegt.

Produktion

Obwohl die meisten Arzneimittel als Fertigprodukte eingekauft werden, spielt die Eigenherstellung von Rezepturen und Zytostatika eine nicht unbedeutende Rolle. Vor allem durch die Entwicklung am Krankenhaus der Elisabethinen und in der Folge durch die Gründung des Ordensklinikums Linz zum Onkologischen Leitspital, hat die patientenindividuelle Herstellung von Zytostatika eine enorme Bedeutung gewonnen.

Zytostatika sind unterschiedlich toxisch, chemische Substanzen, die im Rahmen der Therapie von Krebserkrankungen eingesetzt werden. Ein Zytostatikum verhindert, dass sich Tumorzellen teilen und verbreiten. 14.000 dieser Dosen werden pro Jahr, für jeden Patienten in der Krankenhausapotheke individuell, zubereitet. Je nach Krebsart, Nieren- und Leberfunktion und nach Köperoberfläche, also auf das Körpergewicht und die Größe des Patienten, speziell abgestimmt.

Die Zytostatikaherstellung ist für das Team der Apotheke aber auch eine große Herausforderung Die notwendige Zertifizierung nach GMP, welche eine Herstellung für externe Krankenhäuser ermöglicht, hat eine rundum Modernisierung der in die Jahre gekommenen gesamten Apotheke notwendig gemacht. Bei laufendem Betrieb versteht sich. Dafür kann seit 2015 das Krankenhaus Rohrbach mitversorgt werden.

Erwartungsgemäß ist die Corona-Pandemie auch an der Apotheke nicht spurlos vorbeigegangen, ganz im Gegenteil.  Als absehbar wurde, dass es zu einer Verknappung von Händedesinfektionsmittel am Markt kommen würde, ist die Apotheke frühzeitig tätig geworden. In Deutschland wurde eine Ausnahmegenehmigung zur Biozid-Verordnung für die Produktion von Desinfektionsmitteln aus Ethanol oder Isopropanol mit Beginn der Pandemie erlassen.

„Ich hatte zufällig am Apothekerkongress in Schladming die Gelegenheit mit der Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer welche auch am Kongress anwesend war, diese Problematik zu besprechen um auch den Anstoß für eine entsprechende Ausnahmeregelung in Österreich zu geben. Das ist auch gelungen, sodass wir die verfügbare Menge an Isopropanol für die Händedesinfektionsmittelherstellung nach einer WHO-Rezeptur verwenden konnten. Damit waren aber noch lange nicht alle Probleme gelöst. Es gab auch noch zu allem Überdruss keine ausreichende Menge passender Behältnisse für Dosierspender am Markt zu kaufen. Um nicht den Abteilungen einfach 20 Liter Kanister auszuliefern, das entsprach nicht unserer Vorstellung von Service, haben wir eine über mehrere Wochen laufende Rückholaktion für leere Dosierspenderflaschen und Verschlussdeckel, die üblicherweise im Müll landen, organisiert. Nach deren Aufarbeitung konnten wir unseren Mitarbeitern Händedesinfektionsmittel aus der Eigenherstellung zur Verfügung stellen.“

Apropos Engpass: Auch der Mangel an ausreichend verfügbaren PCR-Test Röhrchen konnte von uns kurzerhand behoben werden. Auf Ersuchen der Geschäftsführung wurden relativ rasch in Summe 12.000 dieser Röhrchen mit steriler Kochsalzlösung befüllt und dem Krankenhaus übergeben. Und letztendlich hat die Professionalität unserer Mitarbeiter es ermöglicht, bei der Proportionierung der COVID19 Impfstoffe ein Maximum von Impfeinheiten aus der bis Mai knappen Impfstoffmenge zu gewinnen. Dadurch konnten wir in dieser Zeit, in der die Vakzine noch nicht ausreichend verfügbar waren, um 20% Prozent mehr Menschen eine Impfung anbieten, als das üblicherweise möglich war.

Ich bin stolz auf mein Team, dass es durch unsere Arbeit in der Pandemie bisher zu keinen Versorgungsengpässen bei wichtigen Arzneimitteln gekommen ist, obwohl die Lieferengpässe durch die Pandemie doch signifikant gestiegen sind“ freut sich der Apothekenleiter.

 

Klinische Pharmazie

Die Krankenhausapotheker im klinisch-pharmazeutischen Service (klinischer Pharmazeuten) haben die Aufgabe, im Rahmen der Zusammenarbeit mit ärztlichem und pflegerischem Personal zu einem sicheren, zweckmäßigen sowie wirtschaftlichen Arzneimitteleinsatz beizutragen. Wesentlich sind die zeitnahe Prüfung der Medikation der Patienten im Krankenhaus, inwieweit deren Medikation an die Arzneimittelliste des Krankenhauses anzupassen ist, die Prüfung der für die Patienten vorgesehenen Medikamente auf Wechselwirkungen (Polypharmazie), auf ihre Risiken und Nebenwirkungen sowie auf risikoärmere Alternativen, die Prüfung der Entlassungsmedikation inklusive dem Entlassungsgespräch mit dem Patienten bei Bedarf. Noch in einer relativ frühen Entwicklung und Anwendung befindet sich die Pharmakogenetik. Dabei wird der individuelle Arzneimittelmetabolismus in Anhängigkeit der Aktivität bestimmter Enzyme beurteilt.

 

Strategischer Pharmaeinkauf

Als Dienstleister für das Krankenhaus stellt die Apotheke sicher, dass immer das richtige Arzneimittel in einwandfreier Qualität und ausreichender Menge zur Verfügung steht. Dies setzt eine exzellente Kenntnis des Marktes und deren Schwächen voraus. Sowohl die Mitwirkung an Einkaufsgemeinschaften, die Bewertung von Lieferanten, als auch die Beurteilung der Marktentwicklung gehören zu den Kernaufgaben im strategischen Pharmaeinkauf. So war den strategischen Pharmaeinkäufern bereits im Jänner 2020 klar, dass es in Europa zu Lieferengpässen kommt, selbst wenn es keine weitweite Pandemie gegeben hätte, weil sehr viele Wirk- und Hilfsstoffe in China produziert werden. Die Expertise und Kompetenz des Krankenhaus- Fachapothekers garantieren einen bedarfsorientierten, hochwertigen und ökonomischen Arzneimitteleinkauf im Sinne der Versorgungs- und Patientensicherheit.

Ibrom ergänzt dazu „Lange vor der Markzulassung neuer Medikamente ist es für mich wichtig, möglichst frühzeitig Informationen zu erhalten, um eventuell rechtzeitig praxisrelevante Ergänzungen einzubringen und natürlich auch vorzeitig entsprechende strategische Überlegungen anstellen zu können.“

Personen in Apotheke bei Medikamentenentnahme
Das Team der Apotheke im Ordensklinikum Linz Elisabethinen verwaltet über 2.000 Medikamente.

Wie schaut den derzeit die Chance auf ein wirksames Medikament aus?

Ibrom: Nach meinem Wissenstand werden Virostatika gegen SARS-CoV-2 voraussichtlich bis Februar 2022 in der EU zugelassen. Diese müssen dann spätestens 3-5 Tage nach Auftreten der Symptome eingenommen werden, in einem Fall 40 Hartgelatinekapseln innerhalb von 5 Tagen. Diese Mittel können eine Infektion nicht verhindern, aber im Krankheitsfall den weiteren Verlauf mildern und somit schwere Krankheitsverläufe verhindern. Die Wirkung basiert auf einer Hemmung der Virusvermehrung.

Aus einer Apotheke dringt selten der Ruf nach zukunftsweisenden Neuerungen. Haben Apotheker keine Visionen?

„Selbstverständlich machen wir uns auch Gedanken über die Weiterentwicklung unseres Arbeitsbereiches. Ich persönlich beschäftige mich sehr intensiv mit der Technologie der CAR-T-Zell Therapie. Das ist eine individuelle Krebsimmuntherapie bei der dem Patienten aus dem Blut T-Zellen gefiltert werden, die dann genetisch so verändert werden, dass sie wieder im Blut des Patienten reinfundiert, Krebszellen bekämpfen können.

Nachdem die Bearbeitung der Patientenzellen unter anderem in Amerika erfolgt und das ökonomisch und ökologisch fragwürdig erscheint, habe ich eine Arbeit verfasst und veröffentlicht, die sich mit der Frage beschäftigt, ob und unter welchen Bedingungen wir das selbst machen könnten, im Sinne einer ‚Point of Care‘ Versorgung. Ich habe daraufhin höchst erfreuliche Reaktionen und Anregungen aus ganz Europa bekommen. Diese Arbeit wurde übrigens beim letzten Biotechnologie Forum Basel, einem hochkarätigen Expertenkreis mit 120 Teilnehmern zitiert und kommentiert.“ Dass es diese Technologie irgendwann auch bei uns geben wird, ist eine meiner Visionen.