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Ordensklinikum Linz

Blasenschule: Pflegeexpertin hilft Kindern

Datum: 07.02.2018

Die Urotherapie, auch als „Blasenschule“ bezeichnet, ist ein fixer Therapiebestandteil an der in Österreich einzigen Abteilung für Kinderurologie im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern

Kinder und Jugendliche mit Blasenfunktionsstörungen, ob organisch oder nicht organisch, machen mit der Urotherapie eine Rehabilitation. Die Einrichtung der Urotherapie in Linz war 2007 eine Pionierleistung.

Die Urotherapie ist definiert als eine nicht chirurgische und nicht medikamentöse Behandlung von Gesundheitsstörungen des unteren Harntraktes. „Ich bin seit 2013 als Urotherpeutin im Ordensklinikum tätig. Als Qualifikation brauchte ich eine einjährige Zusatzausbildung mit Diplom in Bremen“, sagt die DGKP und Urotherapeutin Anita Silye, die auch zertifizierte Beckenboden-Kursleiterin ist. In Österreich ist die Urotherapie noch wenig bekannt, in den skandinavischen Ländern ist sie seit rund 20 Jahren etabliert.

Tagesklinisch oder stationär kommen Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 18 Jahren in die „Blasenschule“. Die jungen Patientinnen und Patienten können in die Kinderurologie-Ambulanz zugewiesen werden. „Dort findet eine klinische Abklärung statt und wenn als zielführend erachtet, werden die Kinder zu Uroflowmessung und Verhaltenstraining in die Blasenschule zugewiesen“, erzählt Silye und erklärt ihren Aufgabenbereich.

Standard-Urotherapie

Sie umfasst die Behandlung von Blasenfunktionsstörungen ohne offensichtliche organische Ursache. Zum Klientel zählen Kinder, die den Beckenboden bei der Blasenentleerung unbewusst anspannen, die nicht auf die Toilette gehen wollen, weil sie sich zum Beispiel vor dem Toilettengang im Kindergarten oder in der Schule ekeln oder weil sie im Spiel zu abgelenkt sind und den Harn verhalten. „Man glaubt gar nicht, wie viele Kinder mit dem Anspannen und Loslassen des Beckenbodens Probleme haben, weil sie sich ein Fehlverhalten bei der Blasenentleerung, oft unbewusst, antrainiert haben“, sagt Silye. Viele der kleinen Patienten mit Störungen der Harnausscheidung leiden auch unter Verstopfung. Die andauernde Harnverhaltung, unvollständige Blasenentleerung und Verstopfung kann zum Beispiel zu Harnwegsinfekten oder Inkontinenz mit Folgeschäden führen.

Auch Kinder mit überaktiver oder unreifer Blase zählen zum Klientel. Da die physiologische Blasenreifung ein sehr komplexer Prozess in der kindlichen Entwicklung ist und bis zum fünften Lebensjahr dauern kann und auch darf, ist eine Schulung bei den meisten Patientinnen und Patienten erst ab dem Vorschulalter oder mit der Schulpflicht sinnvoll. Kinder mit unreifer Blase müssen sehr oft auf die Toilette. Medikamente können in diesem Fall helfen, die Blasenmuskulatur zu entspannen, und in der Blasenschule lernen die Kinder ihre Blase zu trainieren.

Kinder und Teenager mit Inkontinenzproblemen, Bettnässer oder solche mit häufig wiederkehrenden Harnwegsinfekten und dyskoordinierter Miktion (Blasenentleerung) gehören ebenfalls zum Klientel der Urotherapeutin.

Individuelle Verhaltenstherapie

Die „Blasenschule“ ist eine Verhaltenstherapie. Das Gelernte muss von den Kindern und Jugendlichen in die tägliche Routine integriert werden, um zum gewünschten Erfolg zu führen. Dazu gehören richtiges Trink- und Toilettenverhalten, Genitalhygiene, Darmmanagement etc. Viele Kinder nehmen sich zu wenig Zeit zum Trinken. „Dreiviertel der Trinkmenge sollen bis zum frühen Nachmittag konsumiert werden. Auf kohlensäurehaltige und harntreibende Getränke verzichten. Milch und Milchprodukte sollen ab 16 Uhr möglichst nicht mehr zugeführt werden, weil dies eine vermehrte Harnproduktion in der Nacht anregt“, sagt die Urotherapeutin. Laut dem Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund ist die empfohlene Trinkmenge für Kinder ab 1 Jahr 600 ml; von 2-3 Jahren 700 ml; von 4-6 Jahren: 800 ml; von 7-9 Jahren 900 ml; von 10-12 Jahren 1300 ml.

Spielerisch, etwa mit Biofeedback, lernen die jungen Patienten in der „Blasenschule“ den Unterschied zwischen An- und Entspannung der Beckenbodenmuskulatur zu spüren.

Zur Urotherapie ist ein repräsentatives Blasentagebuch über zwei mal zwei Tage mitzubringen. Darin soll zum Beispiel stehen, wann und wie viel getrunken und wann und wie oft uriniert wird. Daraus ergibt sich schon ein erster, ganz wichtiger Eindruck über die Beschwerden.

Ein Tag mit der Urotherapeutin

Eine tagesklinische Therapie läuft etwa so ab: Das Kind kommt, je nach Vereinbarung, zwischen 8:00 und 9:00 Uhr zur Aufnahme, nach der Anamnese und einem ausführlichen kindgerechten Gespräch bekommt es je nach Ursache eine „Trink-Uhr“, damit es genügend Flüssigkeit zu sich nimmt. Danach wird eine schmerzfreie Uroflow-Messung (Harnstrahlmessung) mit anschließender Ultraschalluntersuchung, um eventuellen Restharn festzustellen, durchgeführt.

An Hand von Zeichnungen oder mit Geschichten erklärt die Urotherapeutin altersgemäß die richtige Genitalhygiene und das Toilettenverhalten. Jedes Kind bekommt auch ein individuelles Hausaufgabenblatt mit. Die meisten Patienten kommen einige Male zur Therapie. Sie freuen sich selbst über Fortschritte, denn kaum eine Kind ist gerne „nass“.

Blasenschule


Miteinander zum Erfolg

Nur durch effiziente Mitarbeit der Kinder und Unterstützung der Eltern zu Hause ist die Urotherapie erfolgreich. Die Blasenschule ist als Hilfe zur Selbsthilfe anzusehen.

Die Urotherapeutin schult Eltern mit bettnässenden Kindern auch zur Weckapparat-Therapie mit Klingelhose ein. Prinzip ist, dass das Kind mit Hilfe des Geräts geweckt werden soll, sobald die ersten Tropfen in die Hose gelangt sind. Durch das Erwachen wird der Urinfluss gestoppt und das Kind kann zur Toilette gehen. Langfristig soll das Kind lernen, trocken durchzuschlafen oder wach zu werden, bevor es zum Einnässen kommt. Zuvor aber immer den Grund für das Einnässen ärztlich abklären lassen. Die Blasenreifung darf – wie erwähnt – bis zum fünften Lebensjahr dauern, vorher den Kindern keinen unnötigen Druck machen.

Spezielle Urotherapie

Sie umfasst die Betreuung von Kindern mit neurogener Blasenentleerungsstörung, die in den meisten Fällen eine Folge von Spina bifida (Neuralrohrfehlbildung, offener Rücken) ist: Eltern von Kindern im Säuglingsalter und betroffene Kinder ab dem vierten Lebensjahr werden für den intermittierenden Katheterismus (Katheter zur einmaligen Blasenentleerung) geschult und bezüglich Hilfsmittel beraten.

In Zusammenarbeit mit der Kontinenz- und Stomaambulanz werden Eltern und Kinder, wenn notwendig, auch im Darmmanagement unterrichtet.

Steigender Bedarf

Die Anzahl der Patienten steigt ständig und die Urotherapie ist ein wertvoller integrativer Bestandteil des kinderurologischen Behandlungskonzeptes. Sie hilft Kindern wie Eltern oft viel Leid und seelische Belastung zu ersparen.

In ihrer Praxis in Linz arbeitet die Urotherapeutin, gemeinsam mit Kolleginnen der Kontinenz- und Stomaberatung, auch mit Erwachsenen mit Kontinenzproblemen. Sie führt dort die Einschulung zur Elektrostimulationstherapie mit Biofeedback zum Trainieren der Beckenbodenmuskulatur sowie Schließmuskeltraining etwa nach Operationen im kleinen Becken durch. Kontinenzhilfsmittelberatung, Beckenbodenkurse zum gezielten Kennenlernen, Kräftigen und Entspannen des Beckenbodens, Stoma- und Sexualberatung gehören zum Leistungsspektrum in der freiberuflichen Praxis.

Quelle: "OÖ Nachrichten" vom 7.2.2018, Mag. Christine Radmayr


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