Wer sich mit 90 Jahren für Schrott interessiert, gehört nicht automatisch zum alten Eisen.
Das gilt auf alle Fälle für Karoline Wenigwieser aus Engerwitzdorf. Sie war die erste Automechanikerin Österreichs und vor vielen Jahrzehnten noch eine echte Exotin in einer von Männern dominierten Welt. Obwohl ihre Autowerkstatt schon vor Jahren zugesperrt hat, besucht sie die ehrwürdigen Hallen auch heute noch regelmäßig, um ihrem Mieter, einem Schrotthändler bei der Arbeit zuzusehen und mit ihm über die gute alte Zeit zu philosophieren. Dass das heute wieder möglich ist, verdankt sie nach eigenen Angaben den Therapeutinnen des Ordensklinikum Linz bei den Elisabethinen.
Aber der Reihe nach:
Hoher Blutdruck und andauernde Schmerzen im Rücken haben für die aktive Mühlviertlerin vor zirka zwei Jahren einen Krankenhausaufenthalt notwendig gemacht. „Ich leide unter starker Osteoporose. Mein Wirbelsäulenkanal macht zu und das verursacht arge Schmerzen“, beschreibt die quirlige Seniorin plakativ ihr gesundheitliches Problem. „ Ich war auf verschiedenen Abteilungen, wo sich Fachleute fürsorglich meiner Gebrechen angenommen haben. Anschließend wurde ich auf die Akutgeriatrie verlegt. Der lange Krankenaufenthalt war zwar recht hilfreich, hat mich aber andererseits auch viel Kraft gekostet. Mit jedem Tag länger im Spital, konnte ich mir weniger vorstellen, mich zuhause wieder zu Recht zu finden. Ich wohne alleine in einem Haus im ersten Stock und muss daher tagtäglich eine Treppe benutzen. Sosehr ich mich danach gesehnt habe, wieder in meine eigenen vier Wände zurück zu kehren, habe ich mich aber auch davor gefürchtet. Ich habe ja niemanden, der schnell da sein kann, wenn etwas passiert.“
Genau für diesen Fall hat die Akutgeriatrie des Ordensklinikums Linz bei den Elisabethinen vorgesorgt.
Mit Unterstützung der Physiotherapeutinnen wurde Frau Wenigwieser auf ihre Entlassung aus dem Krankenhaus vorbereitet. Regelmäßiges Training wie Treppensteigen machte der Patientin Mut und das Selbstvertrauen kehrte allmählich wieder zurück.
Zur Weiterbetreuung wurde die Engerwitzdorferin ins Programm „Besser zuhause“ aufgenommen.
„Die Mädels aus dem Krankenhaus haben mich danach regelmäßig bei mir daheim besucht. Sie haben mir Übungen gezeigt, die ich täglich machen sollte. Ich habe fleißig mitgemacht, weil sie gemeint haben, dass mir das hilft. Sie sind aber auch sehr streng und nehmen nicht Rücksicht darauf, dass ich schon so alt bin“, lacht die ehemalige Automechanikerin. “ Ich jammere aber nicht, sonst kommen sie vielleicht nicht mehr. Ich strenge mich aber auch an, um ihnen eine Freude zu machen, schließlich bemühen sie sich ja so um mich, da sollen sie auch dafür belohnt werden. Ich übe jeden Tag, außer Sonntag, dafür tun mir am Montag dann die Füße weh.“
Immerhin führe ich meinen Haushalt ja noch selbstständig. Ich wasche meine Wäsche selbst und koche. Von der Diätologin die mich besucht, bekomme ich dazu Vorschläge, wie ich mich richtig ernähren kann.
Einmal bin ich in ein tiefes Loch gefallen. Ich bin nicht mehr aus dem Grübeln herausgekommen. Ich habe mich gefragt, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich früher alles anders gemacht hätte. Vielleicht würde es mir dann heute besser gehen. Daraufhin hat mich die Psychologin besucht und mir geraten nach vorne zu schauen und nicht nach hinten. Das Vergangene ist vorbei, das kann man nicht mehr ändern. Ihre Ratschläge haben mir sehr geholfen. Dadurch ist es mir wieder besser gegangen.“
Und wie als Beweis dieser Behauptung erzählt Frau Wenigwieser voller Begeisterung von ihren regelmäßigen Besuchen beim Alteisensammler, der sich in ihrer früheren Autowerkstatt, die sie mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann betrieben hatte, eingemietet hat.
„Ich freue mich immer, wenn er wieder was Neues hereinbekommt. Viel von den Maschinen, die heute als Schrott gesammelt werden, haben mein Mann und ich damals repariert. Und wie viel Schrauben da weggeworfen werden, ist kaum zu glauben. Wir haben die früher sorgfältig sortiert und wiederverwendet. Schließlich war ich 40 Jahre Mechanikerin. Wir haben auch 17 Lehrlinge ausgebildet, wobei ich heute noch mit zwölf von ihnen Kontakt habe.
Ich bin wirklich dafür dankbar, dass ich das heute alles noch erleben darf. Immerhin hatte mich der Kardiologe vor drei Jahren schon nach meinem letzten Wunsch gefragt. Mit Hilfe der Therapeutinnen, die mich zuhause besuchen und mir wichtige Tipps und Ratschläge geben, bin ich heute aber immer noch da“, freut sich Karoline Wenigwieser und fährt mit ihrem Lob über die Betreuung fort. „Außerdem haben mir die Damen vom Ordensklinikum beim Sparen geholfen. Ich muss spezielle Stützstrümpfe tragen. Die konnte ich mir aber nicht selbst anziehen. Daher musste ich mir eine Dame engagieren, die das für mich erledigte. Für 20 Euro, Tag für Tag, sechs Jahre lang. Dann hat mir eine Therapeutin gezeigt, wie ich das selbst machen kann. Jetzt ziehe ich mir die Strümpfe in der Früh selbst an. Dadurch kommt man sich wieder wertvoller vor. Nicht so verloren und abhängig.“
Kurz überlegt sie, ob sie sich nicht doch noch einen Treppenlift einbauen lassen soll. Man muss sich das Leben ja so einfach wie möglich machen. Zuerst aber wird sie beim Schrotthändler vorbeischauen, weil eine neue Lieferung angekommen ist.
Foto: Ordensklinikum