Über schwere Erkrankungen und deren Folgen zu reden, ist nicht einfach. Vor allem wenn die Betroffenen Familien mit Kindern oder Teenagern haben. Am Standort der Elisabethinen gibt es daher ein abteilungsübergreifendes Team, das Patienten dabei hilft, mit ihren jüngsten Familienangehörigen über die Folgen ihrer Erkrankung zu sprechen bzw. damit verbundene Gefühle aufzuarbeiten.
Zum Team gehören Dr. Martin Schöner (Palliativmedizin), Sr. Rita (Seelsorge), DGKP Lilli, DGKP Veronika und DGKP Luzia (Pflege), Mag. Bettina Plöckinger (Klinische Psychologie) sowie Dr. Sabina Schmid (Psycho-Onkologie).
Wie würden Sie ihre Aufgaben beschreiben?
Sr. Rita: Wir machen in erster Linie den Erwachsenen Mut und bestärken sie darin, dass sie mit ihren Kindern oder Enkelkindern über die schwere Erkrankung eines Angehörigen und deren Folgen sprechen.
Dr. Schöner: Ja, genau. Wir reden mit den Angehörigen zum Beispiel über zu erwartende körperliche Veränderungen, die ein schwer erkrankter Elternteil durchmachen wird. Oder über Veränderungen im Alltag, worauf Kinder besonders sensibel reagieren. Wenn zum Beispiel eine Mutter wegen des krebskranken Vaters mehr Zeit im Krankenhaus verbringt und weniger Zeit für die Kinder hat. Dann versuchen wir den Kindern zu erklären, warum das so ist, damit die Kinder das Verhalten ihrer Mutter verstehen können, sich dennoch wahrgenommen fühlen und sich nicht ängstigen müssen.
Helga Lohninger: Oder wir weisen die Eltern darauf hin, Bezugspersonen wie KindergartenpädagogInnen oder den Klassenvorstand über die Erkrankung des Elternteiles zu informieren, damit auch diese besser damit umgehen bzw. ungewöhnliche Reaktionen der Kinder richtig deuten können.
Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?
Sr. Rita: Weil das Thema stark tabuisiert wird. Viele betroffene Eltern möchten ihre Kinder vor schmerzlichen Erfahrungen beschützen, übersehen dabei aber ganz, dass die Kinder sehr wohl wahrnehmen, was passiert. Diese Kinder fühlen sich dann mit ihren Gefühlen und Gedanken alleine gelassen, überfordert oder werden im schlimmsten Fall sogar traumatisiert, wenn die Mutter oder der Vater tatsächlich stirbt.
Welche Folgen kann es sonst noch haben, wenn Kinder nicht involviert werden?
Sr. Rita: Viele 4 bis 5-jährige nehmen die Trauer ihrer Eltern wahr und glauben, dass sie schuld daran sind. Viele nehmen das Thema mit ins Erwachsenenalter und haben dann möglicherweise Probleme mit Verabschiedungen und weiteren Verlusterlebnissen.
Dr. Schöner: Manche Kinder können in eine frühere Entwicklungsstufe zurückfallen, indem sie beispielsweise wieder beginnen einzunässen, Daumen zu lutschen oder aggressiv werden. Bei älteren Kindern können die schulischen Leistungen nachlassen. Es gibt aber auch Kinder die plötzlich unnatürlich angepasst und brav in der Schule werden, um ja nicht eine zusätzliche Last für die Eltern zu sein.
Was kann man dagegen tun?
Dr. Schöner: Wichtig ist es dann, den Eltern dabei zu helfen, diese Verhaltensänderungen zu erkennen, damit sie entsprechend darauf reagieren können. Das gelingt oft ganz gut im Spiel mit Puppen oder Legofiguren. Hier verarbeiten Kinder oft für sie nicht artikulierbare Themen oder Gefühle. Sich auf das Spiel einzulassen kann ein kommunikativer Schlüssel sein, um mit den Kindern über ihre Gefühle und Ängste zu sprechen.
Sr. Rita: Ja, genau. Auf der Palliativstation haben zum Beispiel im Tagraum eine Spielecke mit unterschiedlichen Spielsachen und Büchern eingerichtet, die die Kinder nutzen können. Ich kann mich noch gut an eine Situation erinnern, in der auf der Palliativabteilung eine Mutter von vier kleinen Kindern verstorben ist. Der Vater war so verzweifelt und ratlos über ihren Tod… da haben die Kinder mit Lego einfach einen Weg zum Zimmer der verstorbenen Mama gebaut und plötzlich hat sich die Situation etwas entspannt.
Welche Methoden wenden Sie sonst noch an, um das Thema anzusprechen oder aufzuarbeiten?
Dr. Schöner: Grundsätzlich versuchen wir die Kompetenzen der Eltern zu stärken und ihre Unsicherheiten anzusprechen. Dann fragen wir, ob sie selbst mit den Kindern sprechen können oder wir mit ihren Kindern reden sollen. Wie wir das Thema dann konkret aufarbeiten ist sehr unterschiedlich. Das hängt ein wenig von der Situation ab. Meist laden wir die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern zu einem Gespräch ein. Manchmal setzen wir uns auch alleine mit den Kindern zusammen, während die Eltern ganz in der Nähe, zum Beispiel in Sichtweite sind.
Sr. Rita: Oft schaffen wir einen Zugang über Kreativität – bereiten Malstifte, Herzen aus Filz, Blöcke und vieles mehr vor, damit die Kinder zum Beispiel der Oma noch ein Bild malen oder ihr etwas schreiben können.
Wie gehen die Kinder mit diesem Thema um?
Sr. Rita: Die meisten Kinder gehen damit realistisch um, indem sie zum Beispiel direkt fragen: „Mama, wirst du sterben?“ Die Betroffenen reagieren darauf oft ratlos.
Dr. Schöner: Das hängt sehr vom Alter und von der Entwicklungsphase ab, in der sich das Kind gerade befindet. Ein dreijähriges Kind kann zum Beispiel mit dem Begriffen Tod und Sterben noch nicht wirklich etwas anfangen. Bei einem siebenjährigen wird der Tod – nachdem es zuvor eine magisch-mythische Phase durchlaufen hat – schon realistischer. Es weiß, dass es etwas Irreversibles ist – es kein Zurückkommen mehr gibt.
Kontakt und nähere Informationen:
OA Dr. Martin Schöner, Palliative Care: 0732-7676-3420
Mag. Bettina Plöckinger, Psychologie: 0732-7676-3981
Dr. Sabina Schmid MSc., Psychoonkologie: 0732-7676-4429
Sr. M. Rita Kitzmüller, Seelsorge: 0732-7676-2892
DGKP Helga Lohninger, Pneumologie 2: 0732-7676-3220
DGKP Veronika Hainzl
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