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Ordensklinikum Linz

Alternative Medizin: Zwischen Hoffnung und Scharlatanerie

Datum: 05.03.2020

Viele Krebspatienten möchten selbst zu ihrer Therapie beitragen. Doch oft entpuppen sich angepriesene Methoden als unseriös. Ein Onkologe klärt über Sinn und Unsinn auf.

Krebs – diese Diagnose ist immer ein Schock. Und obwohl neue Behandlungsmethoden die Heilungschancen verbessert haben, haben viele Erkrankte das Bedürfnis, selbst etwas zur Genesung beitragen zu wollen. „Die Schulmedizin ist passiv. Schnell fragen die Patientinnen und Patienten: Was kann ich selber tun, damit es mir wieder besser geht?“

Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann leitet das Zentrum für Tumorerkrankungen am Ordensklinikum Linz und versteht diese Reaktion gut: „Erfreulicherweise gibt es zahlreiche ergänzende Methoden, die die Lebensqualität der Patienten verbessern, die ihr Bedürfnis nach dem eigenen Beitrag zur Genesung unterstützen und die den Fokus von der Erkrankung auf die gesundmachenden Lebensinhalte lenken. Unser Auftrag als Fachexperten ist, dass wir Patienten informieren müssen, was gut ist und was nicht.“

Gefährliche Missverständnisse

Wichtig ist es, zwischen alternativer Medizin und komplementärer Medizin zu unterscheiden. Die alternative Medizin umfasst Methoden, die wissenschaftlich nicht erprobt sind und bei denen es keine biologisch plausible Erklärung gibt, warum diese wirken sollten. „Alternative Medizin im strengeren Sinn sind auch Methoden, die nicht in Ergänzung zur onkologischen Therapie der Schulmedizin angewendet werden. Ihre Befürworter sagen: Wenn du das machst, brauchst du keine Schulmedizin. Aber Studien zeigen: Wenn Patienten die schulmedizinische Behandlung nicht annehmen, ist die Wahrscheinlichkeit zu versterben dramatisch höher.“

Komplementäre Methoden dagegen ergänzen die Schulmedizin. „Diese Angebote haben selbst keine oder allenfalls eine sehr geringe Auswirkung auf die Tumorerkrankung. Aber wenn es dem Patienten bei Anwendung komplementärer Therapien subjektiv besser geht, er beispielsweise weniger Übelkeit hat, dann kann er die onkologische Therapie definitiv besser durchhalten. Das Überleben kann sich verbessern, weil die onkologische Therapie damit in der vorgesehenen Dosierung verabreicht werden kann.“

Mind-Body-Techniken sind besonders hilfreich. Yoga, Meditation und Achtsamkeitstraining unterstützen dabei, Alltag und Therapie besser durchzustehen, leichter zu schlafen und weniger Angst zu haben. Was Patientinnen und Patienten noch tun können, ist Bewegung. „Bewegung, die anstrengt, aber nicht überanstrengt, wirkt sich positiv auf Therapieverträglichkeit und Krankheitsverlauf aus“, erklärt Weltermann.

Vorsicht ist geboten

Bei vielen Angeboten ist Vorsicht geboten. Häufig entpuppen sich zunächst gut klingende Maßnahmen als Scharlatanerie. Einerseits zahlen Krebskranke viel Geld für etwas, das nicht hilft, etwa teures Joghurt aus der Mongolei. Andererseits werden sie mit unrealistischen Versprechen gelockt.

„Immer, wenn ein Heilpraktiker oder Arzt sagt, er könne eine Krebserkrankung außerhalb der Schulmedizin behandeln, ist das Scharlatanerie. Krebs ist eine sehr komplexe Erkrankung. Alle Versuche, Krebs mit alternativen Heilmethoden zu behandeln, werden scheitern.“ Zusammenarbeit im Team ist wichtig. Auf der Suche nach ergänzenden Angeboten ist mit einigen Fragen selbst abzuschätzen, ob die Alarmglocken läuten sollten. „Die Art, wie jemand über eine Methode spricht, ist wichtig“, warnt Weltermann.

Fake-Fact Würfel

„Wenn jemand Heilung verspricht oder sagt, dass seiner Erfahrung nach eine Methode immer wirkt, dann sollte man als Patient hellhörig werden. ,Immer‘ gibt es nicht, dazu sind Krebserkrankungen zu unterschiedlich.“ Weitere wichtige Punkte sind Kosten, die Aufklärung über Gefahren sowie die Bereitschaft, sich mit dem behandelnden Team im Krankenhaus abzusprechen. Wenn sich Patientinnen und Patienten für ergänzende Methoden entscheiden, sollten die behandelnden Onkologinnen und Onkologen informiert werden – auch wenn sie die Methode ablehnen. Diese Ehrlichkeit ist wichtig, denn es kann zu gefährlichen Nebenwirkungen kommen.

„Ein bekanntes Beispiel ist Grapefruitsaft. Der Saft interagiert mit vielen neuen Medikamenten. Wenn ich Grapefruitsaft trinke, vertrage ich die Medikamente vielleicht besser. Aber nur deshalb, weil die Tumormedikamente schneller aus meinem Körper verschwinden. Und das senkt auch die Wirkung!“, stellt Weltermann klar. Der Experte sieht auch die eigene Kollegenschaft in Verantwortung: „Wir müssen akzeptieren, dass Patienten trotz Aufklärung zusätzliche Maßnahmen durchführen, die aus schulmedizinischer Sicht abzulehnen sind. Es sollte jeder Versuch unternommen werden, den Wunsch des Patienten in eine verantwortbare Richtung zu lenken.“  | Sophie Fessl

 

Nähere Informationen:

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