Der GLP-1-Rezeptor-Agonist Semaglutid wird schon länger in der Diabetestherapie eingesetzt. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass er für Patient*innen, die zusätzlich an einer Nierenfunktionsstörung leiden, weitere Vorteile bringt.
Nephrologische Probleme und Diabetes stehen in engem Zusammenhang. „Ungefähr ein Viertel aller Patient*innen mit Nierenversagen erlitten dieses aufgrund von Diabetes mellitus Typ 2“, betont Prim. Priv.-Doz. Dr. Daniel Cejka, Leiter der Nephrologie und Transplantationsmedizin. Semaglutid hat sich als unterstützende Therapie bei Typ-2-Diabetes als wirkungsvoll erwiesen. „Die Magenentleerung verzögert sich, der Appetit wird reduziert und man fühlt sich länger satt“, erklärt OÄ Dr.in Petra Wolfinger, Leiterin der Stoffwechselambulanz, warum die Arznei bei der Gewichtsreduktion hilft. „Auch der mittlere Blutzuckerwert verbessert sich, weil die insulinproduzierenden Zellen geschützt werden.“
Doppelter Nutzen
Eine große Studie*) mit rund 3.500 nierenkranken Diabetiker*innen hat ergeben, dass Semaglutid auch den Nierenfunktionsverlust bremsen kann. „Pro Jahr bleibt mit Semaglutid rund ein Prozent der Funktion mehr erhalten. Da Diabetiker*innen das Medikament jahrelang einnehmen, sind das bei 15 Jahren 15 Prozent erhaltene Nierenfunktion“, erläutert Prim. Cejka. Und weiter: „Es ist ein großer Unterschied, ob Patient*innen mit einem Nierenversagen dialysiert werden müssen oder ob sie mit einer eingeschränkten Nierenfunktion ein weitgehend freies Leben führen können.“ Anfangs erfolgt monatlich eine Kontrolle in der Stoffwechselambulanz. Dort wird die Semaglutid-Dosis angepasst und Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall oder Sodbrennen werden kontrolliert.
Wie sicher ist Semaglutid?
Ob Semaglutid auch für normalgewichtige Nierenpatient*innen ohne Diabetes geeignet ist, ist Gegenstand der Forschung. „Laut Schätzungen haben bereits mehr als 30 Mio. Menschen ein Semaglutid-artiges Medikament erhalten. Bisher gibt es keine relevanten Sicherheitsbedenken. Jetzt ist nur die Frage, ob das langfristig so bleibt“, meint Nephrologe Cejka. „Durch das Medikament verliert man nicht nur Fett, sondern auch Muskel- und Knochensubstanz.“ Daher sollte die Therapie von Sport begleitet sein. „Für Schwangere und Stillende ist das Medikament nicht geeignet. Bei einer akuten Pankreatitis darf es auch nicht verabreicht werden“, erklärt OÄ Wolfinger.
Da die Nachfrage hoch ist, kommt es immer wieder zu Lieferschwierigkeiten. OÄ Wolfinger betont: „Wir verordnen daher aus ethischen Gründen Semaglutid ausschließlich Patient*innen mit Typ-2-Diabetes.“ Für die Behandlung adipöser Patient*innen (BMI ≥30) setzt die Medizinerin Liraglutid ein. Es ist ein GLP-1-Rezeptor-Agonist und muss täglich injiziert werden. Vor der Gabe sollten die Zuckerwerte, Nüchternglukose und das HbA1c kontrolliert werden. Ab fünf bis zehn Kilogramm Gewichtsverlust sollte ein metabolisches Labor durchgeführt werden.
Seit Juli 2024 ist der GIP/GLP-1-Rezeptor-Agonist Tirzepatid für Typ-2-Diabetes und Gewichtsmanagement zugelassen. Er enthält enterale Hormone und bindet Rezeptoren im Gehirn und direkt im Fettgewebe. Erste Studien zeigen, dass Tirzepatid einen signifikant höheren Gewichtsverlust im Vergleich zu Semaglutid bewirkt. OÄ Wolfinger: „Die hohen Kosten sind für viele Adipositas-Patient*innen eine Hürde.“
Prim. Priv.-Doz. Dr. Daniel Cejka, Leiter der Nephrologie und Transplantationsmedizin
Lebensstil ändern
Eine nachhaltige Gewichtsreduktion erfordert zusätzlich eine Veränderung des Lebensstils. OÄ Wolfinger betont: „Diätologische Betreuung, regelmäßige Bewegung und im besten Fall psychologische Begleitung sind zentrale Bestandteile der Therapie.“ Etwa zwei bis fünf Prozent der Patient*innen gelten als Non-Responder, sprechen also nicht ausreichend auf die Therapie an.
*) Perkovic V et al., NEJM 2024; 391:109-121
Neue Medikamente im Überblick
Zwei Semaglutid-Präparate:
• Präparat 1: Spritze, 1 x wöchentlich, Dosierungen: 0,25/0,5/1 mg, zugelassen für Typ-2-Diabetes mellitus, erstattungsfähig
• Präparat 2: Spritze, 1 x wöchentlich, Dosierungen: 0,25–2,4 mg, zugelassen für Adipositas, nicht erstattungsfähig
Liraglutid: Spritze, 1 x täglich, Dosierungen: 0,6–2,4 mg, ab dem 12. Lebensjahr zugelassen für Adipositas, nicht erstattungsfähig. Neu: Vor bariatrischen Operationen kann es bewilligt werden.
Tirzepatid: Spritze, 1 x wöchentlich, Dosierungen: 2,5–15 mg, für Typ-2-Diabetes mellitus und Adipositas zugelassen. (Noch) keine Kassenleistung