Aktuelles

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Ordensklinikum Linz

Kinderurologie: Interdisziplinarität im Expertisezentrum

Datum: 07.04.2025

Seit Juli 2024 leitet Prim. Priv.-Doz. Dr. Dr. Bernhard Haid FEAPU, FEBU die Abteilung für Kinderurologie im Krankenhaus Barmherzige Schwestern. Er setzt auf eine verstärkte interdisziplinäre und eine interprofessionelle Zusammenarbeit, fördert wissenschaftliches Arbeiten und hat neue Konzepte zur Patientenversorgung etabliert. 

Die Abteilung für Kinderurologie ist die einzige eigenständige Einheit in Österreich, die ausschließlich der Versorgung von Kindern mit angeborenen Fehlbildungen und Erkrankungen des Urogenitalsystems dient. Die hohe Frequenz an seltenen Erkrankungen führte im Jahr 2019 zur Designation zum Nationalen Expertisezentrum (Typ B) für seltene kinderurologische Erkrankungen, basierend auf dem Nationalen Aktionsplan für seltene Erkrankungen (NAP.se). Die Abteilung ist Mitglied beim European Reference Network (ERN) eUROGEN. Dieses widmet sich auf europäischer Ebene der hochqualitativen Patientenbetreuung und der Zusammenarbeit im Bereich von seltenen Erkrankungen und Fehlbildungen des Urogenitaltraktes.

Ein Team, bestehend aus fünf Kinderurolog*innen, alle Fachärzt*innen für Urologie mit Zusatzausbildung in Kinderurologie (FEAPU), Fachärzt*innen in Ausbildung zu Kinderurolog*innen (Fellows), Assistenzärzt*innen, hochspezialisierten Pflegekräften und drei Kinderurotherapeutinnen betreut jährlich ca. 2.500 stationäre, 1.500 chirurgische und 10.000 ambulante Patient*innen.

Die Abteilung ist eingebettet in ein Umfeld aus Kindermedizin – einschließlich spezialisierter Kindernephrologie, Kinderendokrinologie, Kinderanästhesie, Nuklearmedizin, Kinderchirurgie, Klinischer Psychologie, Radiologie, Gynäkologie, Pränatalmedizin, Urologie sowie Chirurgie. So kann das gesamte konservative und chirurgische Spektrum der Kinderurologie, inklusive Beratung für pränatale Diagnosen, Betreuung von Erwachsenen mit kongenitalen Erkrankungen sowie Fragestellungen in Zusammenhang mit früheren kinderurologischen Erkrankungen, abgedeckt werden.

 

Basisversorgung im Zentralraum

„Als Expertisezentrum und als ERN-Mitglied bieten wir Spitzenmedizin für Patient*innen mit seltenen Erkrankungen“, erläutert Prim. Haid, „aber auch eine verfügbare, breite Basisversorgung.“ Zur Unterstützung von niedergelassenen Kinderärzt*innen wurde ein neues Konzept zur optimalen Versorgung von Kindern mit Enuresis entwickelt: „Es gibt bei Enuresis entwicklungsbedingt häufig relativ ungefährliche, gut behandelbare Formen, weiters Kinder, die aufgrund eines sehr protrahierten Verlaufes und oft großer Belastung schnell Hilfe brauchen, und sehr selten auf Fehlbildungen oder strukturellen Auffälligkeiten beruhende organische Formen“, erklärt Prim. Haid. Das Team der Kinderurologie hat für Kinderärzt*innen Informationsmaterial und ein Konzept zur barrierefreien Zuweisung erstellt, damit sie entscheiden können, welches Kind Unterstützung braucht und welches einem*einer Kinderurolog*in vorgestellt werden sollte. Prim. Haid bekräftigt: „Der Großteil der Kinder braucht keine*n Fehlbildungschirurg*in; für sie haben wir Gruppenschulungen durch Urotherapeutinnen nach extramuralem Therapieversuch und Basisabklärung direkt zugänglich gemacht. Dort werden sie umfassend betreut. Die Kinder, die davon tatsächlich profitieren, bekommen rasch einen Termin in unserer Ambulanz.“ Bei den Schulungen findet ein Austausch zwischen den Familien statt. Prim. Haid ist überzeugt: „Der Dialog mit anderen Betroffenen minimiert den Eindruck der Stigmatisierung, unterstützt die Entmystifizierung des Themas, hilft beim innerfamiliären Umgang mit Konflikten und ist somit ein wertvoller Beitrag zur Selbsthilfe.“

 

Duale Führung

In der Kinderurologie wird das Konzept der „Dualen Führung“ umgesetzt. „Ich leite die Abteilung gemeinsam mit Silke Gsöllpointner, BA, Bereichsleitung Kinder- und Jugendheilkunde und Kinderurologie“, hält Prim. Haid fest. „Wir treffen Personalentscheidungen und diskutieren alle inhaltlichen und strategischen Fragestellungen gemeinsam.“ Beispiele für gemeinsame Projekte sind Studien, Fortbildungen oder ein „Lean-Management-Konzept“. Mit Mit Constanze Zupan (Bereichsleitung OP) und Silvia Gattringer-Reinisch, Bereichsleitung Zentral-OP, wurde ein Personalentwicklungsprojekt gestartet. Prim. Haid berichtet: „Wir schulen das Instrumentieren bei OPs vorab mittels videobasiertem Simulationstraining. Damit sind die Pflegekräfte besser auf Operationen vorbereitet.“

 

 

Einsatz des Da-Vinci-Roboters in der Kinderurologie

Einsatz des Da-Vinci-Roboters in der Kinderurologie

 

Lifelong Congenital Urology

Im Sinne einer „Lifelong Congenital Urology“ bietet die Abteilung Erwachsenen mit angeborenen Fehlbildungen des Harn- und Genitaltraktes eine Anlaufstelle. 2024 wurden mehrere Erwachsene behandelt, die seit Jahren keine chirurgische Therapie bekommen konnten. „Das hat mit der Versorgungssituation in der Erwachsenenurologie zu tun, aber auch damit, dass die Behandlung seltener Fehlbildungen sehr spezifisch ist“, erläutert Prim. Haid und weist darauf hin: „Wir sind von der Ausbildung her Erwachsenenurolog*innen und haben am Ordensklinikum Linz ein exzellentes interdisziplinäres Umfeld, das uns komplexe Eingriffe ermöglicht.“

 

Prim. Dr. Haid

Prim. Priv.-Doz. Dr. Dr. Bernhard Haid FEAPU, FEBU, Leiter der Abteilung für Kinderurologie, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern

 

 

Interdisziplinäre Ambulanzen

Weiter ausgebaut wird 2025 das „One-Stop-Shop“-Prinzip bei der Behandlung von Erkrankungen, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern. Prim. Haid betont: „Damit spart man den Familien mehrere Arztbesuche und kann eine umfassende Betreuung anbieten.“ Bei Erkrankungen des Genitalsystems wird etwa die Kinderendokrinologie, bei Wirbelsäulenfehlbildungen die Neuropädiatrie hinzugezogen.

 

Forschung: hohe Qualität, moderne Konzepte

Wissenschaftliches Arbeiten hat an der Abteilung hohen Stellenwert. „Nur durch das ständige Hinterfragen unseres Tuns und die kritische Analyse der Daten, die wir produzieren, können wir besser werden. In unserem Nischenbereich gibt es relativ wenig klare Therapiekonzepte und selten eine Frage, die durch Forschung restlos geklärt werden konnte“, erklärt der Experte. Die Abteilung nimmt deswegen an Registerstudien teil, an denen im Bereich seltener Erkrankungen bis zu 50 Zentren weltweit mitarbeiten.

Für den wissenschaftlichen Nachwuchs wurde das „Clinician Scientist“-Programm entwickelt. Jungmediziner*innen können während ihrer Arbeitszeit die in ihre klinische Ausbildung integrierte Forschung im Rahmen ihres PhD-Studiums durchführen. Weiters wurde eine Gewebebank für Forschungszwecke etabliert.

 

Neue Oberärzt*innen in Ausbildung

In den nächsten Jahren müssen drei Oberärzt*innen ausgebildet werden, wofür ein neues Ausbildungskonzept entwickelt wurde. Prim. Haid erläutert: „Die Kinderurologie deckt eine Nische mit seltenen Krankheitsbildern ab und es dauert lange, bis die Mitarbeitenden die nötige Expertise haben. Wir haben das Fellowship-Programm FEAPU, das mindestens drei Jahre dauert, und bis zum Abschluss als Oberärzt*in braucht es auch noch Zeit.“

 

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit mit der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde hat eine lange Tradition und wird weiter verstärkt. Die beiden Abteilungen werden die bestehenden Räumlichkeiten künftig gemeinsam nutzen. Prim. Haid erklärt: „Die Büroräumlichkeiten der Abteilungsleiter werden neu aufgeteilt, sodass ein Besprechungsraum entstehen kann.“ Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit wird ausgebaut: Es entstehen gemeinsame Ambulanzen, Personalressourcen werden gemeinsam genutzt und die Stationsbelegung wird weiter flexibilisiert. Mit der Abteilung für Erwachsenenurologie wurde eine Ausbildungsrotation realisiert.

 

Deckenkamera mit vielfachem Nutzen

Seit kurzem ist der OP-Saal mit einer extrem hochauflösenden, ideal adaptiven und in das Krankenhausinformationssystem lückenlos integrierten, deckenmontierten Kamera ausgestattet, die zur Dokumentation von Operationen dient. Prim. Haid erläutert: „Bislang musste eine Person mit einem Fotoapparat bereitstehen, die Bildqualität optimal zu gestalten war schwierig. Nun kann diese Aufgabe der*die Chirurg*in per Fußtaster übernehmen, auch die Aufnahme von Videosequenzen ist möglich.“ Die Bilder werden in Echtzeit auf zwei große Bildschirme übertragen. Dadurch können z. B. Operations­assistent*innen und Student*innen die Operation verfolgen, was zuvor aufgrund der sehr kleinen OP-Gebiete oft nicht möglich war. Neben der Dokumentation dient das Kamerasystem auch der Lehre und einer effizienten Zusammenarbeit im Operationssaal.

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Ambulanzzeiten: Mo – Do, 09.00 – 14.00 Uhr & Fr, 09.00 – 12.00 Uhr
Kontaktaufnahme per E-Mail mit vorliegenden Befunden: kinderurologie@ordensklinikum.at
Bei Diagnosen in der Niederlassung, die eine Operation erfordern, kann unkompliziert ohne Ambulanzbesuch ein OP-Termin geplant werden. Bei Zweifel klärt das Team gerne ab, ob das Kind in der Kinderurologie richtig ist.
www.ordensklinikum.at/kinderurologie