Rückblick: Neues aus Gastroenterologie und Hepatologie
Am 14. Juni 2022 fand der Fortbildungsabend „Neuigkeiten aus der Gastroenterologie & Hepatologie“ statt, erfreulicherweise in Präsenz. Zahlreiche niedergelassene Mediziner*innen folgten der Einladung von Prim. Univ.-Prof. Dr. Rainer Schöfl, Leiter der Interne IV - Gastroenterologie & Hepatologie, Endokrinologie und Stoffwechsel, Ernährungsmedizin, Ordensklinikum Linz, um mehr über drei spezielle Erkrankungen zu erfahren.
Eosinophile Ösophagitis
Zu Beginn referierte FA Dr. Michael Weitersberger über die seltene Erkrankung Eosinophile Ösophagitis(EoE), die Mitte der 90er Jahre als eigene Krankheitsentität definiert wurde. Sie ist eine chronische, immunvermittelte Erkrankung, die auf den Ösophagus beschränkt ist. Klinisch ist die EoE durch Symptome wie schmerzhaftes Schlucken und Bolusobstruktion und histologisch durch eine eosinophil-vorherrschende Entzündung gekennzeichnet. Neben Eosinophilen sind verschiedene Untergruppen von T-Zellen und Mastzellen an der EoE beteiligt. Als Mediatoren sind IL-4, IL-5, IL-13 und TNF-α zu nennen. Die EoE hat hauptsächlich ein Entzündungsmuster vom Th2-Typ.
In den letzten Jahren ist eine deutliche Zunahme der Inzidenz (ca. 10 Fälle pro 100.000 Einwohner) und Prävalenz (ca. 20/100.000) zu beobachten, vornehmlich sind die westlichen Länder betroffen. Als Ursache stehen Umwelteinflüsse vor genetischen Faktoren. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, wobei Männer doppelt so häufig betroffen sind.
Symptomatik und Diagnose
Bei EoE ist eine sorgfältige Anamnese erforderlich, eine körperliche Untersuchung bleibt in der Regel unauffällig. Mögliche Symptome beim Erwachsenen sind Odynophagie, Dysphagie, Bolusobstruktion und retrosternale Schmerzen. Wie so oft imponieren bei Kindern nur Allgemeinsymptome wie Erbrechen und Magenschmerzen sowie Gedeihstörungen, eine Verwechslung mit anderen Krankheiten wie Zöliakie ist nicht selten.
Das Wichtigste hinsichtlich der Diagnostik sei, an die EoE zu denken, betonte FA Weitersberger. Die Diagnose ist komplex und kann nicht nur auf einem einzigen Befund basieren. Sie wird durch zumindest sechs Biopsien gestellt. Das wichtigste histologische Kriterium: > 15 Eosinophile/HPF (Gesichtsfeld im Mikroskop). Vorsicht: In bis zu 17 Prozent der Fälle zeigt sich endoskopisch ein Normalbefund. Endoskopisch imponieren können rötliche Längsfurchen, solitäre oder multiple Ringe, weißliches Exsudat, eine Krepppapiermukosa und das „Tug-Sign“. Diese Befunde erlauben auch eine Einstufung der EoE gemäß dem EREFS-Score.
Therapeutische Optionen
Eine EoE sollte unbedingt behandelt werden, führt sie doch unbehandelt zu einer zunehmenden Fibrosierung und nach 20 Jahren in 71 Prozent der Fälle zu einer Stenose der Speiseröhre. Allergologische Aspekte spielen nachgewiesenermaßen eine große Rolle, immerhin 70 Prozent der Betroffenen haben einen allergischen Hintergrund. Therapeutisch steht daher die Diät neben der medikamentösen Behandlung im Vordergrund. Die Elementardiät ist zwar nicht praktikabel, zeigt aber die besten Erfolgschancen, noch vor diversen Eliminationsdiäten. Die Vermeidung des Kontakts der Speiseröhrenoberfläche mit Proteinen bewirkt nämlich in etwa 90 Prozent der Fälle eine Auflösung von Symptomen und Entzündungen. Zumeist sind Milch und Weizen für die Symptomatik verantwortlich, aber auch Soja, Nüsse, Ei und Meeresfrüchte gilt es auszuschließen. Ein routinemäßiger Allergietest ist jedoch nicht empfohlen.
Gut belegt ist zudem der Off-label-Einsatz von PPI, jedoch mit variabler Erfolgsrate von 23-80 Prozent. Bei gleichzeitig bestehendem Reflux sind PPI wirksamer. Der Langzeitnutzen ist fraglich. Die Gabe des Glukokortikoids Budesonid in Form einer hoch-viskösen Schmelztablette wiederum zeigt eine hohe Effektivität und ist die einzige zugelassene Therapie. Zu beachten sind eine Candida Ösophagitis und systemische Nebenwirkungen. Eine Dilatation über mehrere Sitzungen ist meist bei Stenosen < 13 mm notwendig und findet optimalerweise gleichzeitig mit einer medikamentösen bzw. diätetischen Behandlung statt.
Kontrollen
Zwölf Wochen nach Behandlungsbeginn soll eine Kontrollendoskopie inklusive Biopsien stattfinden, wobei das wichtigste Kriterium wiederum < 15 Eosinophile/HPG ist, andernfalls besteht ein Rückfall. Nur sechs Prozent der behandelten Patient*innen bleiben längerfristig asymptomatisch und histologisch unauffällig. 57 Prozent entwickeln innerhalb eines Jahres wieder Symptome, davon 78 Prozent auch erneut ein histologisches Rezidiv. In diesem Fall wird langfristig mit Budesonid behandelt. Bei klinischer Beschwerdefreiheit soll einmal jährlich oder nach Bedarf kontrolliert werden.
Nichtalkoholische Steatohepatitis
FÄ Dr.in Ina Söllradl gab ein Update zur Nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH), die durch eine makrovaskuläre Verfettung mit Inflammation definiert wird, nicht durch Alkohol bedingt ist und ein Fibrose-, Zirrhose- und Leberkrebsrisiko birgt. Davon abzugrenzen ist die Vorstufe Nichtalkoholische Fettleber (NAFLD), bei der über fünf Prozent der Leberzellen eine makrovaskuläre Verfettung aufweisen. Um dieser hepatischen Manifestation des metabolischen Syndroms und ihren Auswirkungen auf die Entwicklung und Progression einer NAFLD Rechnung zu tragen, wurde im Jahr 2020 eine neue Bezeichnung, die Metabolisch-bedingte Fettlebererkrankung (MAFLD), vorgeschlagen. Immerhin 80 Prozent der NAFLD-Patient*innen sind adipös und 65 Prozent haben Typ-2-Diabetes – in der Normalbevölkerung sind 25 Prozent betroffen. Insbesondere der rasante Anstieg der Adipositas ist mit einer steigenden Prävalenz der NAFLD assoziiert. Zur Verdeutlichung der Dimension: Im 2030 wird mit fast 21 Millionen NAFLD-Patient*innen in Deutschland gerechnet.
Diagnose der NAFLD
FÄ Söllradl hob hervor, dass nur Patient*innen mit fortgeschrittener Fibrose eine erhöhte leberbezogene Mortalität aufweisen. Primär sei somit die Fibrosierung der prognoserelevante Faktor. Um den Grad derselben zu messen, empfahl sie für die tägliche Praxis den nichtinvasiven NAFLD-Fibrose-Score (NFS), der online unter nafldscore.com leicht zugänglich ist. Ein Wert unter -1,455 schließt eine fortgeschrittene Fibrose mit 90 Prozent Sensitivität aus. Ein NFS > 0,676 diagnostiziert eine fortgeschrittene Fibrose mit 97 Prozent Spezifität und 67 Prozent Sensitivität. Alternativ kann der Fibrosescore FIB-4 zum Einsatz kommen.
Das Screening auf eine NAFLD soll in der Primärversorgung erfolgen, mit Fokus auf die Risikopopulation mit Typ-2-Diabetes, Adipositas, metabolischem Syndrom und dergleichen. Ein Fatty-Liver-Index (FLI) – der BMI, Taillenumfang, GGT und Triglyceride umfasst – unter 30 schließt eine Fettleber mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Ein FLI über 60 weist auf eine NAFLD hin. Dann wird der FIB-4 oder NFS erhoben und entsprechend der Werte (siehe Leitlinien-PDF) weiter beobachtet oder an Gastroenterolog*innen bzw. Hepatolog*innen überwiesen. Auch wenn GPT/ALT wiederholt oder kontinuierlich erhöht ist, soll an Spezialist*innen zugewiesen werden. Unter anderem erfolgt dann eine Elastographie.
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
Auf einen besonderen Zusammenhang ging FÄ Söllradl speziell ein: Die NAFLD ist mit einer höheren Prävalenz von kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert, und zwar unabhängig von einzelnen CVD-Risikofaktoren. Die NAFLD ist ebenso ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten und die Schwere einer KHK. Zudem ist die NAFLD mit einem erhöhten kardiovaskulären Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verknüpft, was die Bedeutung des Screenings und einer frühzeitigen Therapie unterstreicht. Auch besteht eine Verbindung zwischen NAFLD und dem Risiko ein Malignom zu entwickeln, was bei Vorsorgeuntersuchungen bedacht werden sollte.
Therapeutische Optionen
Aktuell gibt es keine Medikamente, die für die Behandlung der NASH zugelassen sind. Immerhin laufen 1.075 NASH-Studien wovon sich 123 in Phase-III befinden. Lebensstilmodifikation sowie die Behandlung der Grunderkrankung(en) sind somit der einzige Hebel, um die Progression nachhaltig zu stoppen bzw. zu verlangsamen.
Polypektomie- und Barrett-Nachsorge
Abschließend informierte FA Dr. Matus Gregus über Neuigkeiten hinsichtlich der Darm-Polypen-Nachkontrolle und dem Barrett-Ösophagus.
Polypektomie-Nachsorge
Im Jahr 2021 hat die Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie ein Update zur Nachsorge nach einer koloskopischen Polypektomie veröffentlicht, die der letzten Leitlinie der Europäischen Gesellschaft ESGE inhaltlich folgt. Wurden Polypen in der vorherigen Leitlinie noch nach leichtem, mittleren und hohem Risiko eingestuft, so wurde in der neuen Leitlinie das mittlere Risiko gestrichen. Hochrisikopolypen werden seitdem wie folgt definiert:
- ≥ 1 Adenom/SSA ≥ 10 mm oder
- ≥ 1 Adenom mit HGIN oder
- ≥ 1 serratierter Polyp mit Dysplasie oder
- ≥5 Adenome
Auch hinsichtlich der Nachsorge hat sich das Vorgehen verändert. War früher eine Kontrolle bei Hochrisikopolypen (≥5 Adenome(n) oder einem Polypen > 2 cm) innerhalb eines Jahres vorgesehen, so soll der nächste Kontrolltermin nun nach drei Jahren erfolgen. Liegt auch dann kein Hochrisikopolyp vor, soll nach fünf Jahren eine Nachsorge-Koloskopie stattfinden, andernfalls wird das Intervall auf drei Jahre verkürzt. Ist auch nach fünf Jahren kein Polyp mit einem hohen Risiko nachweisbar, erfolgt alle zehn Jahre ein Routinescreening. Erweist sich ein Polyp aber als nachsorgebedürftig, wird das Nachsorge-Intervall wieder auf drei Jahre verkürzt. Bei Polypen mit niedrigem Risiko erfolgt das Routinescreening alle zehn Jahre.
Bei größeren Läsionen kommt nicht die klassische endoskopische Polypektomie, sondern die Endoskopische Mukosareaektion in Piecemeal-Technik (pEMR) zum Einsatz – der Polyp wird dabei in mehreren Stücken abgetragen. Dabei steigt das Risiko inkompletter Resektionen und damit das Rezidivrisiko. Die erste Kontrollendoskopie soll daher nach drei bis sechs Monaten erfolgen, die zweite nach einem Jahr und die dritte – wie bei Hochrisikopolypen – nach drei Jahren.
FA Gregus machte auch auf einen besonderen Umstand hinsichtlich des kolorektalen Karzinoms (CRC) und der Familienanamnese aufmerksam. Angehörige ersten Grades von Patient*innen mit einem CRC haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Das Erkrankungsalter bei einem erstgradig Verwandten unter 60 Jahre erhöht das Risiko circa um den Faktor 2. Bei Menschen mit einer positiven Familienanamnese tritt ein CRC etwa zehn Jahre früher auf als bei Personen mit Durchschnittsrisiko. Ein Routinescreening auf kolorektale Adenome soll daher alle fünf Jahre erfolgen. Das Screening kann etwa mit dem 80. Lebensjahr beendet werden bzw. auch früher, wenn die Lebenserwartung aufgrund von Begleiterkrankungen voraussichtlich begrenzt ist.
Neues zum Barrett-Ösophagus
Der Barrett-Ösophagus ist eine intestinale Metaplasie im distalen Ösophagus infolge eines chronischen Reflux. In Österreich sind keine Vorsorge-Empfehlungen vorhanden. Ein Screening erfolgt bei mehreren Risikofaktoren wie Alter über 50, männliches Geschlecht, Nikotinabusus, Adipositas und einen über fünf Jahre bestehenden Reflux. Gescreent werden sollten überdies erstgradig Verwandte mit einem Barrett oder Ösophaguskarzinom. Die Inspektion soll mit einem hochauflösenden Gerät erfolgen und eine Routinebiopsie laut ÖGGH bereits bei Verdacht auf einen Barrett erfolgen und nicht, wie von der europäischen Gesellschaft empfohlen, bei einem Barrett über 1 cm Größe.
Ein Barrett ohne Dysplasie mit < 3cm Größe soll alle fünf Jahre kontrolliert werden, bei 3-10 cm alle drei Jahre und jene > 10 cm sollen an ein Zentrum überwiesen werden. Dies gilt bis zum 75. Lebensjahr. Auch Dysplasien und sichtbare Läsionen gilt es in einem Zentrum abzuklären.
Wir bedanken uns bei folgenden Kooperationspartnern