Aktuelles

Aktuelles

Ordensklinikum Linz

Linzer Kinderurologe entwickelt UroApp

Datum: 31.05.2017

Etwa eines von tausend Kindern wird in Mitteleuropa mit Spina Bidfida geboren. Dabei schließt sich das untere Ende der Wirbelsäulenkanals nicht. Allgemein bekannt ist diese Fehlbildung als „offener Rücken“. Je nach Schweregrad sind damit neurologische Ausfälle verbunden. Die Kontrolle über die Blasenfunktion ist sehr oft nicht vorhanden, es muss regelmäßig alle paar Stunden ein Katheter zur Blasenentleerung gesetzt werden. Im Baby und Kleinkindalter müssen das die Eltern übernehmen, später führen es die Betroffenen selbst durch. Schon Kinder im Vorschulalter können sich nach entsprechender Einschulung und Training selbst helfen. Auch viele Querschnittgelähmte mit betroffener Blasenfunktion wenden diese Prozedur täglich an. Rund 200 derartige Patienten betreut die Kinderurologie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern und ist damit die wichtigste Anlaufstelle in Österreich.

„Egal ob Eltern oder jugendliche Betroffene – Selbstkatheterisierung braucht Anleitung, Regelmäßigkeit und Dokumentation. Und vor allem soll es diskret funktionieren. Kinder entwickeln bald Schamgefühl und wie es pubertierenden Heranwachsenden bei so einer intimen Handlung geht, braucht nicht näher erklärt werden“, schildert Kinderurologe OA Dr. Mark Koen. Zudem würden sich gerade Jugendliche von den Eltern, die sie ans Katheterisieren erinnern, bevormundet fühlen und den Vorgang mit gesundheitsschädlichen Folgen schlampig oder gar nicht durchführen. Ein neutraler „Aufpasser“ täte not.

Er hat sich auf der Suche nach Verbesserungen ganz gezielt in die Gedankenwelt und Sozialisation seiner jungen Patienten versetzt und einen unkonventionellen Lösungsweg gefunden: eine App am Smartphone. „95% aller 14- bis 21-Jährigen besitzen ein Smartphone und die Altersgrenze geht immer weiter nach unten. Es ist permanenter Begleiter, Kommunikations-, Nachrichten- und Spielgerät in einem und muss niemandem erklärt werden. Warum also sollte man es nicht auch als diskretes Werkzeug zur Selbsthilfe bei einer körperlichen Behinderung verwenden?“ Aus der Idee wurde ein innovatives Projekt. Koen konkretisierte Anforderungen und Funktionen, suchte und fand im dem Webspezialisten dotmaks einen Technikpartner und mit dem Katheterhersteller Hollister einen Unterstützer, um das Angebot kostenlos bereitstellen zu können. Im vergangenen Herbst war die UroApp geboren. Sie ist auf iTunes und für Android downloadbar und kann mit einem Code, den die Patienten von ihrem behandelnden Arzt bekommen, aktiviert werden. Die UroApp vereint mehrere Komponenten: Eine Erinnerungsfunktion zeigt die Zeitschiene für die nötige Kathetersetzung an. Gleiches gilt auch für die Einnahme von Medikamenten. Ein Protokoll erfasst systematisch Zeitabstände und Flüssigkeitsmengen.

OA Dr. Koen mit der Kinderuro-App
Kinderurologe Mark Koen entwickelte die "Uro-App"

Die Auswertung visualisiert, wie zuverlässig im Zeitablauf man mit diese Handlungen war. Wer laufend im grünen Bereich bleibt, hat das Ritual bald verinnerlicht, bekommt den Prozess „ins Gefühl“. Wer hingegen schlampig ist und viele Rotpunkte für Verspätungen oder Unzuverlässigkeiten sammelt, dem klopft die App virtuell auf die Finger. Eine wichtige Infobasis bildet auch die auf freiwilliger Eingabe beruhende Sammlung der wichtigsten persönlichen und medizinischen Daten. 70 Personen sind derzeit bereits User und geben laufend Feedback für noch bessere Usability. So kam die Anregung, aufpoppende Hinweise unauffällig zu gestalten. Oder – etwa für Schüler – eine zeitlich optimierte Programmierung für Wochentage und Wochenenden. Das Interesse bei Patienten und Fachwelt ist jedenfalls riesig. Rund 1.000 Downloads verzeichnete die UroApp schon, daher soll der Zugang noch niederschwelliger werden. Mark Koen hat sein Projekt mittlerweile bei mehreren nationalen und internationalen Urologenkongressen vorgestellt und bei seinen Kollegen verdiente Anerkennung geerntet. Neben der Weiterentwicklung UroApp hat Dr. Koen bereits ein weiteres Projekt im Auge: Das Smartphone soll künftig geplagten Eltern auch bei bettnässenden Kindern Unterstützung bieten.

 

Nähere Informationen:

Kinderurologie