Aktuelles

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Ordensklinikum Linz

Fallbericht: Zungenschrittmacher

Datum: 21.10.2022

Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist gekennzeichnet durch einen wiederholten partiellen oder kompletten Kollaps der oberen Atemwege, dem ein schlafinduzierter Tonusverlust der Pharynxmuskulatur zugrunde liegt. Dies führt zu rezidivierenden obstruktiven Apnoen, also vollständigen bzw. teilweisen Unterbrechungen des Atemflusses um mindestens 80 Prozent über zehn Sekunden, sowie zu Hypopnoen. Dadurch kommt es zu einer Reduktion des Tief- und REM-Schlafes sowie zu einer Fragmentierung des physiologischen Schlafmusters.

 

Zunehmendes Problem

Die OSA ist eine sehr häufige Erkrankung. Bis zu 15 Prozent der Männer und bis zu fünf Prozent der Frauen sind therapiebedürftig, weisen also einen Apnoe/Hypopnoe-Index (AHI) ≥5 mit Symptomen bzw. einen AHI ≥15 auf. Der AHI ist ein Maß für die Atemereignisse pro Stunde. „Seit den 1990er-Jahren ist ein deutlicher Prävalenzanstieg zu sehen, vornehmlich begründet durch die Zunahme der Adipositas. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen sind übergewichtig bzw. adipös (60 Prozent haben einen BMI >30) und 90 Prozent der Patient*innen mit einem Adipositas-Hypoventilationssyndrom haben eine OSA. Aber auch eine bessere und häufiger verfügbare Diagnostik sowie ein zunehmendes Bewusstsein in der Medizin und der Bevölkerung lassen die Zahl der Patient*innen steigen“, schildert OA Dr. Gerhard Kos, Abteilung für Pneumologie, Ordensklinikum Linz Elisabethinen. 

 

Innovative neue Therapie

Therapeutisch stehen mehrere Optionen zur Verfügung, wobei sich die passende Behandlung nach Art und Schweregrad der Schlafapnoe richtet:

  • Allgemeinmaßnahmen: Gewichtsabnahme, Meiden von müde machenden Medikamenten, kein Alkohol und keine üppigen Speisen am Abend, Lagetraining
  • Kieferschiene 
  • Operative Eingriffe
  • Überdrucktherapie (CPAP-Therapie)

„Die nasale Überdrucktherapie (n-CPAP) ist sehr effizient und sofort wirksam, muss aber konsequent und dauerhaft angewendet werden, und sie wird zum Großteil zufriedenstellend toleriert“, sagt OA Kos. Das ist aber nicht immer so. „Die klassische Beatmungstherapie funktioniert nicht bei allen Patient*innen optimal. Zudem gab es bei Masken- oder Überdruckunverträglichkeit, mittelschwerer bis schwerer OSA und einem hohen Leidensdruck bislang kaum therapeutische Alternativen“, erläutert Prim. Priv.-Doz. Dr. Christopher Lambers, Abteilungsleiter Pneumologie, Ordensklinikum Linz Elisabethinen. Am Ordensklinikum Linz ist seit Kurzem eine neue Behandlungsmethode verfügbar: die Implantation eines Hypoglossus-Schrittmachers. „Diese Innovation ist im Vergleich zu den anderen chirurgischen Alternativen, wie der massiven Zungengrundresektion oder der Osteotomie, weit weniger invasiv, komplex und risikobehaftet. Ich bin davon überzeugt, dass sich der Zungenschrittmacher, so wie dazumal der Herzschrittmacher, bei einer bestimmten Klientel von Patient*innen durchsetzen wird“, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Burian, Abteilungsleiter HNO, Kopf- und Halschirurgie, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. „Am Ordensklinikum Linz wenden wir die atmungsgesteuerte selektive Stimulationstherapie des Nervus hypoglossus an. Sie kommt bei Patient*innen mit einem AHI ≤15–65/h, einem BMI ≤35 und bei einem maximalen Anteil an zentralen Apnoen von unter 25 Prozent in Frage, wobei die Indikationsstellung interdisziplinär erfolgt. Ein komplett konzentrischer Kollaps des Pharynx auf Velum-Ebene muss vor dem Eingriff ausgeschlossen werden“, erklärt OA Dr. Maximilian Hartl, Abteilung für HNO, Kopf- und Halschirurgie, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. Der Schrittmacher inklusive Atemsensor wird ähnlich einem Herzschrittmacher eingesetzt und ist über eine Stimulationselektrode mit dem Zungennerv verbunden. Durch die gezielte Stimulation wird verhindert, dass die Zunge im Schlaf zurückfällt und die Atemwege verschließt. Das System misst kontinuierlich den Atemrhythmus im Schlaf und passt sich der natürlichen Atemfrequenz an. Mit einer Fernbedienung schaltet der*die Betroffene den Zungenschrittmacher per Knopfdruck vor dem Zubettgehen ein und am Morgen nach dem Erwachen wieder aus. „Unsere ersten Erfahrungen zeigen ein sehr gutes Ansprechen und hohe Zufriedenheit nach der Schrittmacherimplantation. Die Compliance ist hoch, der AHI konnte reduziert und die Lebensqualität deutlich erhöht werden. Das deckt sich auch mit internationalen Studienergebnissen“, schließt OA Hartl ab.

Röntgen Zungenschrittmacher

 

Fallpräsentation: Herr Mustermann, 50 Jahre, schwere obstruktive Schlafapnoe

 

Vorgeschichte:

  • 08/2020: Erstdiagnose im Schlaflabor Ordensklinikum Linz Elisabethinen: schwere OSA mit AHI 50. Mehrere Anpassungsversuche der CPAP-Maske. Massive Toleranzprobleme: Patient gibt Panikattacken und klaustrophobische Zustände an.
  • Sonstige Vorerkrankungen: arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II, Hypercholesterinämie, COPD Grad I, Adipositas.
  • 08/2020: Erstkontakt zur HNO-Ambulanz: BMI >35. Gewichtsreduktion vereinbart.
  • 04/2021: Durchführung einer DISE (drug-induced sleep endoscopy): Ausschluss konzentrischer Kollaps auf Velum- Ebene, sehr schöne a-p-Bewegung des weichen Gaumens. BMI: 32, AHI (Neuevaluation): 30, keine zentralen Apnoen.

 

Problemstellung:

Der Patient klagt über nicht erholsamen Schlaf sowie ausgeprägte Tagesmüdigkeit, Abgeschlagenheit, Antriebslosigkeit und immer wieder über Konzentrationsstörungen. Die Gattin des Patienten berichtet über lautes Schnarchen sowie Atemaussetzer in der Nacht, sodass auch sie nicht gut schlafen kann. Im Schlaflabor wird die Diagnose schwere OSA gestellt und eine CPAP-Maskenanpassung durchgeführt. Nachdem der Patient trotz mehrfacher Versuche eine CPAP-Maske nicht toleriert, wird interdisziplinär die Indikation einer Implantation eines Hypoglossus-Schrittmachers gestellt.

 

Therapie am Ordensklinikum Linz:

  • 07/2021: komplikationsfreie Implantation des Zungenschrittmachers.
  • 09/2021: Schrittmacheraktivierung und Patientenschulung.

 

Outcome:

  • 01/2021: Schlaflabor: keine obstruktiven oder zentralen Apnoen, vereinzelt Hypopnoen. Der Patient fühlt sich fitter, kein Schnarchen mehr beobachtet.
  • 06/2022: Antihypertensive Therapie kann halbiert werden, weitere Gewichtsreduktion durchgeführt

 

Zungenschrittmacher

 

Symptome der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) 

  • Morgen- und Tagesmüdigkeit (CAVE: Sekundenschlaf!)
  • Schnarchen
  • Insomnie (ca. 1/3 der OSA-Patient*innen); Anzeichen: gerötete Augen
  • Nächtliches Erstickungsgefühl
  • Nächtliches Nach-Luft-Schnappen
  • Morgendliche Kopfschmerzen
  • Konzentrationsstörung
  • Kognitive Einschränkung
  • Nykturie

Einteilung der OSA:
Normal: AHI ≤5/h
Leicht: AHI ≥5–15/h
Mittelschwer: AHI ≥15–30/h
Schwer: AHI ≥30/h

AHI = Apnoe/Hypopnoe-Index = Atemereignisse pro Stunde

 

Mehr Informationen zu den Abteilungen 

Abteilung für HNO, Kopf- und Halschirurgie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern

Abteilung für Pneumologie am Ordensklinikum Linz Elisabethinen